Die ägyptische Kunst.
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Mit der Erbauung der Pyramiden aber hat es
folgende Bewandtnis. Aus religiösen Gründen war nirgends
die Sorge für die Toten gröfser als in Agypten, wo man
dieselben nicht nur vor Verwesung, vor Durst und Hunger
behütete, sondern ihnen auch möglichst feste und dauerhafte
Grabstätten bereitete. Solche haben sich in ansehnlicher Zahl
von allen vornehmeren Ständen erhalten; dieggrofsartigsteir
aber sind die Königsgräber der älteren Zeit, die Pyramiden,
hinter denen die späteren Königsgräber in Tempelform weit zu-
rückstehn. Gleich nach seiner Thronbesteigung liefs der
König den Bau seiner Pyramide beginnen, um sich ein
würdiges Grabdenkmal zu schaffen. Uber einer in der Erde
angelegten Sarkophagkammer liefs er zunächst einen kleinen
Bau anführen, der den Kern des Ganzen bildete. Je nach der
Dauer seiner Regierung wurden um diesen neue Schichten,
bis zu drei, mantelartig herumgelegt; NaCh Seinem Tode
fand der Bau dadurch seinen Abschlufs, dafs man die grofsen,
über 0,70 m hohen Terrassen, welche uns Fig. 2 andeutet,
mit grofsen Steinblöcken ausfüllte, diese von oben herab
schräg abmeifselte und die Flächen polierte. Das verwandte
Material ist teils Kalkquader, teils aber auch gewöhnliches
Mauerwerk und Ziegelstein; die Steinlagen (Stufen) betragen
bei der Pyramide des Cheops an Zahl ursprünglich 205.
Ihren Namen erhielten die Pyramiden angebllCh VOH ihrem
Zwecke, denn P-uro-ma soll wörtlich 1) heifsen wKönigsgrabu.
Rings um die einzelnen Pyramidengruppen P5681169 Gräber-
städte (Nekropolen) angelegt zu werden.
Der grofse Sphinx. (Taf. 1, Fig. 1-) Erfüllen UIIS
die trotz der Einfachheit ihrer Formen durch ihre Masse
grofsartigen Pyramiden mit Bewunderung, so staunen wir
nicht minder über ein Werk ägyptischer Skulptur, das uns
Fig. 1 mit zur Anschauung bringt: den von König Chephren
wahrscheinlich dem Sonnengotte geweihten Rlesensphinx.
Jetzt ragt von ihm nur noch der etwa 9 m hohe Kopf aus
dem Wüstensande hervor; die Gesamthöhe hat man auf etwa
20 m (also ungefähr die Höhe eines vierstöckigen Hauses),
die Länge des Körpers auf 50 m berechnet. Die ganze Ge-
stalt ist gröfstenteils aus dem natürlichen Felsen gearbeitet
und stellt einen ruhenden Löwenkörper mit einem von der.
Königshaube bedeckten Manneskopfe dar, der zwischen den
aus angesetzten Felsblöcken gemeifselten Tatzen ein kleines,
oben olTenes Heiligtum hält. Die in unsern Augen seltsame
Formverbindung war das Abbild eines grofsen Gottes, der-
ein Schirmer war vor allem Bösen, ein hütender Wächter.
Und so erscheinen die Sphinxe in der ägyptischen Kunst,
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