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III.
Kunst bei den Römern.
Die
Äufsere stellt eine Barbarin dar, die eigentümlichen Schuhe,
die nackten Arme lassen schliefsen, dafs sie eine Deutsche
sei. Es ist ein Heldenweib, welches an Wuchs das Mafs der
Südländer überragt, wie das auch Tacitus von den Deutschen
berichtet. Voll stummen Ingrimmes über das unabänderliche
Los der Knechtschaft, das über sie gekommen ist, steht sie
gebeugt da; die Füfse sind übereinander geschlagen, der linke
Arm ist über den Leib gelegt; auf die linke Hand stützt sich
der emporgerichtete rechte Arm; langes offenes Haar, das sich
durch ein Stirnband nur wenig fesseln läfst, umschliefst in
Wellenlinien das ernste Gesicht und fällt mähnenaitig auf den
Rücken hinab. In ihrem dumpfen Schmerze blickt sie starr
vor sich hin, nicht achtend. dafs ihr Gewand sich von der
linken Schulter abgelöst hat. Was kümmert die Schmerzensreiche
noch die Aufsenweltl Wer ist dieses Weib? Man hat ge-
meint, es sei Thusnelda, des Helden Arminius gefangene
Gattin. Vielleicht ist es ein Sinnbild des besiegten Deutsch-
land und die Statue ist durch den Sieg über die Deutschen
veranlafst und hat einst ein Siegesdenkmal geziert. Hierfür
spricht auch der Umstand, dafs die Rückseite nachlässiger
gearbeitet ist. Dafs eine Völkerschaft symbolisch dargestellt
ist, entspricht durchaus römischem Brauche. Schon seit dem
Jahre 264 v. Chr. war es Sitte geworden. dem römischen Volke
die wichtigsten Ereignisse durch Bilder klar zu machen und
deutlich einzuprägen. Unter den Kaisern treten an Stelle der
Bilder die Werke der Skulptur, und es finden sich mehrfach
Stadtgottheiten oder Völkertypen dargestellt, wie sie dem rö-
mischen Herrn ihre Huldigung darbringen. Zu dem Zwecke
bildete man Figuren in der Weise der Tyche von Antiocheia
(Taf. 21, Fig. 9). Gesichtsausdruck, Nationaltracht, sonstige
Attribute wufste man in oft recht geistvoller Weise zu benutzen,
um die Bedeutung der Gestalten leicht kenntlich zu machen.
Cicero (Taf. 27, Fig. 6). Diese in allem Wesentlichen
wohl erhaltene Büste ist ein Porträt Ciceros, das unlängst in
Madrid aufgefunden worden ist 20). Sie trägt die Unterschrift
M. Cicero an. LXIIII, was entweder bedeuten kann, dafs Cicero
ein Alter von 64 jahren erreicht hat, oder dafs dieses Bild in
seinem 64. Lebensjahre gemacht ist. Diesem Alter entspricht
d1e vorgeneigte Haltung des Kopfes sowie das Aufsere. Die
Wflngen sind schlaff, der Hals ist faltig, auf die durchfurchte
Stirn fällt von oben nur spärliches Haar herab; seitlich
schlängeln sich leicht gekräuselte Locken vor den Ohren
herab. Tiefliegende Augen und fast flache, kräftige Brauen
verleihßn dem Gesicht einen ernsten Ausdruck. Das Auge ist
nicht grofs, blickt aber klar vor sich hin, wie gewöhnt, die