Kap.
Die
Kunst
unter
Kaiser
Augustus.
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beitet ist, als die Griechen es einst schön fanden, als besiegt,
als überwältigt darstellt, deutet er auf die Schwere der über.
wundenen Aufgaben hin. Dafs dieser Effekt nicht zufällig,
sondern beabsichtigt ist, beweist die Kunst und Überlegung,
mit der die ganze Statue überhaupt gearbeitet ist; sowohl die
äufserst sorgfältige technische Behandlung als auch die Gröfsen-
Verhältnisse der einzelnen Teile. Mit Absicht hat der Künstler,
um den Körper über menschliches Mafs hinauszuheben, die
Beine so lang und die Brust so breit, den Kopf dagegen so
klein gebildet. Die Inschrift an dem Felsen nennt als Meister
Glykon aus Athen, den wir uns als unter Augustus in Rom
ansässig zu denken haben. Für dieses Alter der Statue spricht
auch der Umstand, dafs die Augensterne ausgehöhlt sind. Die
Erfindung der Statue rührt nicht von Glykon selbst her, sondern
geht wohl auf einen früheren griechischen Künstler zurück.
Doch dürfte die Übertreibung in der Muskelbildung auf
Rechnung des Glykon kommen 19).
Sog. Borghesischer Fechter. Unter Taf. 27, F ig. 4 er-
blicken wir einen Krieger in Ausfallstellilng gegen einen höher
stehenden Feind. Er fafst seinen Gegner, der ihn links von oben
bedroht, scharf ins Auge. Mit vorgestreckter Linken, an der
eine Schildhandhabe symbolisch den Schild bedeutet, sucht
er sich zu decken, utähretid er mit der Rechten die Waffe
führt, um auf den Feind im nächsten Augenblicke loszustürmen.
S0 befindet sich der ganze Körper wie auch das Gesicht in
der größtmöglichen Anspannung. Die Gestaltung des Kopfes,
der uns einen gewöhnlichen Menschen ohne allen Adel zeigt,
begründet die Annahme, dafs wir hier nicht an einen Heroen
zu denken haben oder an einen berühmten Kriegshelden, son-
dern an einen gemeinen Krieger oder Fechter, den der Künst-
ler in dieser Auslage zum Kampfe zeigt, blofs um seine Kunst
zu beweisen in der Darstellung des schwer wiederzugebenden
Momentes allgemeinster Muskelanspannung, wie sie einer rasch
und kraftvoll geführten Handlung vorausgeht; also, um seine
genaue Kenntnis der Anatomie des Menschen an den Tag zu
legen. Letzteres ist ihm wirklich in einer Weise gelungen,
dafs ein französischer Arzt diese Statue seiner Behandlung der
Anatomie des Menschen zu Grunde gelegt hat. Eine Inschrift
belehrt uns, dal's dies Marmorwerk von Agasias, des Dositheos
Sohn aus Ephesos, verfertigt ist, der wahrscheinlich um
Augustus Zeit in Rom lebte. BorgheSiSChcr Fechter wird die
Statue genannt, weil sie bis {S08 im Besitz der Familie Bor-
ghese war; seitdem ist sie im Louvre.
Sogenannte Thusnelda. Taf. 27, Fig. 5 zeigt die Ko-
lossalstatne eines hochgewachsenen, trauernden Weibes. Das
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