Kap.
ZLUD
Bis
Griechentunls im
Aufgehen des
Römertunx.
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dung der Arbeit selbst, oft an Stellen, welche den Augen der
Beschauer weit entrückt waren. Je nach der Natur des
darzustellenden Wesens sind die Körper verschieden behan-
delt: der gewaltige, aber hoheitsvolle Gott, der wildere, kräf.
tige Gigant, das in weicheren Linien gebildete Weib, jedes
zeigt Eigenart in Haltung und Form, und selbst die leiden-
schaftlichen Bewegungen sind mit verblüHender Wahrheit dar-
gestellt. So entsteht denn überall der Eindruck des vollsten,
wirklichen Lebens, der so grofs ist, dal's man bei Vertiefung
in das Betrachten der Originale förmlich in das Kampf-
getümmel mit hineingezogen wird. Sollte der Fries, wie
manche glauben annehmen zu können, bemaltsö) gewesen sein,
so wurde dieser Eindruck hierdurch natürlich noch in höherem
Mafse hervorgerufen.
Doppelhalle in Pergamos. Auch Taf. 22, Fig. 8 zeigt
uns ein Werk pergamenischer Kunst. Der Platz um das
Heiligtum der Athene rechts oberhalb der Agora war von
einer zweiarniigen Halle umgeben, die auf der einen Seite
zwei, auf der andern blofs ein Schiff hatte. Sie bestand aus
zwei Geschossen, deren unteres von dorischen, das obere von
ionischen Säulen getragen wurde. Das Gebälk ist aber beide-
mal dorisch. Der untere Architrav trägt Inschriften; im
oberen Geschofs ist ein Umgang angelegt, der nach aufsen
von Schranken begrenzt ist, welche Trophäen in schöner Re-
liefarbeit zeigenßi).
Rückblicke auf die kleinasiatische Kunst. Die
Werke der kleinasiatischen Plastik, sowohl die historischen als
die mythologischen, muten uns eigentümlich an. Erstere schon
durch die Wahl des Stoffes. Menschen der Gegenwart hatte
die griechische Kunst besonders seit Lysippos' Zeiten vielfach
dargestellt, wenn auch immer etwas idealisiert. Hier aber hat
die Kunst einen Schritt weiter gethan; sie schafft Bilder, welche
in gröfseren Kompositionen die Ereignisse der Gegenwart oder
jüngsten Vergangenheit wiedergeben. Und zwar thun sie es
historisch treu. Früher hatten wenige Andeutungen genügt,
ein anderer Schild, ein besonderer Helm, um den Ausländer
vom Hellenen zu unterscheiden. Jetzt aber ist die Erinne_
rung an das eben Erlebte zu frisch, als dafs man durch so
geringfügige Zeichen den Gegensatz zwischen dem gel-iafsten
Gegner und dem Hellenen ausdrücken möchte; fast bis ins
Kleinste genau der Wirklichkeit nachgebildet wird die fremd-
artige Gestalt vorgeführt, man hat die Bahn des historischen
Realismus betreten. In der Form nicht minder realistisch sind
die Meister des Laokoon, des farnCSiSChen Stieres und des
grofsen Frieses. Auch diese haben alle Einzelheiten des Körpers