Volltext: Einführung in die antike Kunst ([Textband])

Kap. 
ZLUD 
Bis 
Griechentunls im 
Aufgehen des 
Römertunx. 
155 
dung der Arbeit selbst, oft an Stellen, welche den Augen der 
Beschauer weit entrückt waren. Je nach der Natur des 
darzustellenden Wesens sind die Körper verschieden behan- 
delt: der gewaltige, aber hoheitsvolle Gott, der wildere, kräf. 
tige Gigant, das in weicheren Linien gebildete Weib, jedes 
zeigt Eigenart in Haltung und Form, und selbst die leiden- 
schaftlichen Bewegungen sind mit verblüHender Wahrheit dar- 
gestellt. So entsteht denn überall der Eindruck des vollsten, 
wirklichen Lebens, der so grofs ist, dal's man bei Vertiefung 
in das Betrachten der Originale förmlich in das Kampf- 
getümmel mit hineingezogen wird. Sollte der Fries, wie 
manche glauben annehmen zu können, bemaltsö) gewesen sein, 
so wurde dieser Eindruck hierdurch natürlich noch in höherem 
Mafse hervorgerufen. 
Doppelhalle in Pergamos. Auch Taf. 22, Fig. 8 zeigt 
uns ein Werk pergamenischer Kunst. Der Platz um das 
Heiligtum der Athene rechts oberhalb der Agora war von 
einer zweiarniigen Halle umgeben, die auf der einen Seite 
zwei, auf der andern blofs ein Schiff hatte. Sie bestand aus 
zwei Geschossen, deren unteres von dorischen, das obere von 
ionischen Säulen getragen wurde. Das Gebälk ist aber beide- 
mal dorisch. Der untere Architrav trägt Inschriften; im 
oberen Geschofs ist ein Umgang angelegt, der nach aufsen 
von Schranken begrenzt ist, welche Trophäen in schöner Re- 
liefarbeit zeigenßi).  
Rückblicke auf die kleinasiatische Kunst. Die 
Werke der kleinasiatischen Plastik, sowohl die historischen als 
die mythologischen, muten uns eigentümlich an. Erstere schon 
durch die Wahl des Stoffes. Menschen der Gegenwart hatte 
die griechische Kunst besonders seit Lysippos' Zeiten vielfach 
dargestellt, wenn auch immer etwas idealisiert. Hier aber hat 
die Kunst einen Schritt weiter gethan; sie schafft Bilder, welche 
in gröfseren Kompositionen die Ereignisse der Gegenwart oder 
jüngsten Vergangenheit wiedergeben. Und zwar thun sie es 
historisch treu. Früher hatten wenige Andeutungen genügt, 
ein anderer Schild, ein besonderer Helm, um den Ausländer 
vom Hellenen zu unterscheiden. Jetzt aber ist die Erinne_ 
rung an das eben Erlebte zu frisch, als dafs man durch so 
geringfügige Zeichen den Gegensatz zwischen dem gel-iafsten 
Gegner und dem Hellenen ausdrücken möchte; fast bis ins 
Kleinste genau der Wirklichkeit nachgebildet wird die fremd- 
artige Gestalt vorgeführt, man hat die Bahn des historischen 
Realismus betreten. In der Form nicht minder realistisch sind 
die Meister des Laokoon, des farnCSiSChen Stieres und des 
grofsen Frieses. Auch diese haben alle Einzelheiten des Körpers
	        
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