ebensowenig weifs man über den Zweck des Gebäudes. Denn
ist dasselbe auch „den grofsen Göttern" geweiht, so braucht
es deshalb doch kein Tempel gewesen zu sein.
Rhodos. Die Hauptstatten künstlerischer Thätigkeit
fanden sich aber damals, wie gesagt, in Rhodos und Perga-
mos. Dem republikanischen Inselstaate Rhodos war es näm-
lich gelungen, inmitten der weltumstürzenden Kämpfe der
Diadochen sich eine Achtung gebietende Stellung zu ver-
schaffen, die es ihm möglich machte, Neutralität zu bewahren
und seinen einträglichen Handel fatst ungestört weiter zu treiben.
S0 war Rhodos, das früher in der Geschichte der Kunstbe-
strebungen durchaus keine hervorragende Rolle spielte, infolge
seiner freieren Verfassung und seines Reichtums geeignet,
der Kunst eine neue Heimstätte zu werden, wo sie denn auch
nach den erhaltenen Berichten eifrig gepflegt wurde. Dieje-
nigen lrVerke freilich, die besonders die Bewunderung des
Altertums, sei es durch ihre riesige Gröfse, sei es durch die
kunstvolle Technik, erregten, sind fast alle der Zerstörung
anheimgefallen; aber eins, dessen Entstehung vermutlich dieser
Zeit angehört, ist uns erhalten, ein Kunstwerk ersten Ranges,
welches uns beweist, dafs die Kunst in Rhodos nicht nur ge-
pHegt, sondern auch fortentwickelt wurde.
Es ist die Gruppe des Laokoon, die uns Taf. 22, Fig. 2
vorführt. Um uns dieselbe recht verständlich zu machen,
müssen wir uns nach der allgemeinen Überlieferung und nach
dem Bilde, das der Künstler uns bietet, den ganzen Vorgang
erst sachlich klar zu machen suchen. Laokoon, der troische
Priester des Apollon, stand bekränzt am Altar und war be-
schäftigt, unter dem Beistand seiner beiden Söhne, die als
Opferknaben dienten, ein Opfer darzubringen. Das Meer war
dem Vater, der dem Altar zugekehrt war, im Rücken, die
Knaben standen an den Schmalseiten des Altars. Da sehen
diese, wie vom Strand her zwei mächtige Schlangen wir
wissen nicht genau, ob welchen Frevels des Laokoon von
rechts und links sich auf sie losstürzen, und sie erheben ein
lautes Geschrei. Erschreckt wendet sich Laokoon um, aber
schon erfassen die Ungeheuer die beim Vater Schutz suchen-
den Kinder und den Vater in ihrer Mitte, umwinden alle drei
mit ihren Schlingen und verwunden zwei mit tödlichen Bissen.
Vergeblich versucht der Vater Gegenwehr, endlich sinkt er,
von Schmerz bezwungen, zurück auf den Altar, auf den das
Gewand niedergefallen ist. Das ist der vom Künstler heraus-
gegriffene Moment. Der jüngere Sohn zu seiner Rechten, zu
schwach, die Schlangen abzuwehren, erliegt schon dem gifti-
gen Bisse; der ältere, von dem tödlichen Rachen noch nicht