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Kunst.
Die griechische
Der Baukunst kam indes diese Periode nicht Wenig zu
gute. Die Pracht der Zeit ermöglichte eine reiche Entwicke-
lung der korinthischen Ordnung; man machte Fortschritte in
der wohnlichen Gestaltung der Häuser, indem man das Bessere,
was die Fremde bot, nachahmte; man legte nicht selten ganze
Städte nach einem vorher durchdachten Plane an. Aber von
all dem ist wenig auf uns gekommen; fast nur aus der spa-
teren Entwickelung der Baukunst im römischen Reiche sind
Rückschlüsse auf diese Periode möglich.
Die Plastik gedieh an verschiedenen Orten verschieden.
Sie lag fast darnieder an den früheren-Pllegestätten dieser
Kunst sowohl wie an den Höfen der meisten hellenistischen
Fürsten, wenn selbstverständlich auch das Wohlgefallen, das
der gebildete Grieche einmal an den Werken der Kunst hatte,
und- das Bedürfnis, das ihm innewohnte, sich seine Umgebung
anmutig zu gestalten, die Kunstübung am Leben erhielt. So
wurde besonders auf dem Gebiete der Kleinkunst viel Treff-
liches geleistet, aber durch inneren Wert hervorragende
Leistungen wurden wenige geschaffen. Eine wirkliche Fort-
entwicklung der Plastik findet sich dagegen in zwei Staaten,
in deren einem der Freiheit noch eine Stätte gelassen war,
während der andere durch schwere, aber siegreich bestandene
Kämpfe aus der Gleichgiltigkeit und Betäubung herausge-
rissen wurde, die sonst über der griechischen Welt zu liegen
schien: es sind Rhodos und Pergamos, wo die Kunst sich
zu einer zweiten, früher kaum geahnten Blüte erhob.
Nil. Doch dürfen wir ein Werk, das zu den schönsten
Erzeugnissen des Altertums gehört, wohl mit Recht einem
alexandrinischen Künstler zur Zeit der Ptolemäer zuschreiben,
nämlich die Statue, welche unter Taf. 21, Fig. 10 abgebildet
ist. Wir erblicken eine mächtige Mannesgestalt, die bequem
auf ihrem Gewande hingestreckt (vgLTaf. 15, Fig. 4) sich mit dem
linken Arm auf einen gelagerten Sphinx stützt und mit der Hand
ein grofses Füllhorn hält, während aus ihrer ausgestreckten, auf
ein dem rechten Oberschenkel ruhenden Rechten ein Bündel
fruchtschwerer Ähren herabhängt. Eine Anzahl kleiner, an-
mutiger Kinder umspielt den Riesen, der durch die hinter
dem Füllhorn an unsichtbarer Stelle hervorbrechende Quelle
und das ihn rings umllutende Wasser als ein Flufsgott ge-
kennzeichnet ist. Der Sphinx, das Symbol Agyptens, läfst
uns in ihm den Nil erkennen. Die Verborgenheit des Ur-
sprunges der hervorströrnenden Wasser ist vielleicht eine An-
spielung auf die Unbekanntschaft der Nilquellen; Füllhorn und
Ähren Weisen auf die Fruchtbarkeit des Flusses hin, die sech-
zehn (teilweise ergänzten) Kinder, die ihn umspielen, sollen