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Die griechische Kunst.
Schmuck des Kopfes bezeugen auch sonst den Wohlstand der
Herrin. Das edle Pronl lafst edle Geburt voraussetzen, der
Blick des Auges deutet auf Wehmut. Die gegenüberstehende,
einfacher gekleidete Dienerin schaut traurig und besorgt ihre
Herrin an. Die Stimmung des Bildes hat etwas so Weihe-
volles, dafs wir hier nicht eine dem täglichen Leben ent-
nommene Schmuckscene sehen können, es ist wohl eine von
den auf Grabdenkmälern so häufig wiederkehrenden Abschieds-
scenen. Sonst hndet sich die Frau dargestellt, wie sie von
dem Mann, die Mutter, wie sie vom Kind Abschied nimmt.
Beides hatte Hegeso vielleicht nicht. Da liefs sie, dem Tode
sich nahe fühlend, das sich bringen, was ihr im Leben lieb
gewesen, um es noch einmal zu beschauen. Die Dienerin
empfindet die Bedeutung dieses Augenblicks, daher der Ernst,
die Trauer in ihren Augen. Grabreliefs erstrecken sich über
den ganzen Zeitraum der griechischen Kunstentwickelung vom
sechsten Jahrhundert bis in die ersten Jahrhunderte der christ-
lichen Zeitrechnung mit einer merkwürdigen Lücke im fünften
Jahrhundert " 9).
Menelaos und Patroklos. Taf. 20, Fig. 5 zeigt eine
pyramidal angeordnete Gruppe. Ein bärtiger Held läfst einen
zum Tode getroffenen jugendlichen Genossen, den er bisher
getragen hat, auf den Boden niedergleiten, um ihn gegen an-
dringende Feinde zu verteidigen. Das Bild ist so, wie wir
es vorführen, aufbewahrt in der Loggia dei Lanzi zu Florenz;
mehrere Wiederholungen weichen in Einzelheiten ab. Aus
den Wunden, die der Leichnam hat (die eine unterhalb der
Rippen am Bauche ist an den Blutspuren erkennbar), läfst
sich, wenn wir die Kampfscenen bei Homer vergleichen, der
Schlufs ziehen, dafs der tote Held Patroklos, der tragende
Menelaos sei. Es ist ein schönes Bild antiker Freundschaft.
Nachdem Patroklos gefallen war, umwandelte Menelaos, wie
uns der Dichter erzählt (Od. XVII, 108), den Leichnam wie
ein mähniger Löwe des Bergwaldes, bereit jeden niederzuschla-
gen, der sich nahte, bis Hektor selbst mit grofsen Scharen
erschien, der ihn schliefslich nötigte zu entweichen. Diese
SChilderung hat der Künstler vor Augen gehabt, nur dafs er,
um eine schönere Gruppe zu gewinnen, den Vorgang etwas
umgestaltet. Menelaos hat hier des Freundes Leiche aufge-
Ilolflmßll, 11m sie zu bergen, wird aber durch heranclrängende
Feinde genötigt, Sie niederzulagsen, um wieder nach dem
Schwert zu greifen. Die kalte Glätte und die schlaffen Glie-
der des Toten (beide Arme sind ergänzt, wie auch der linke
Arm des Menelaos) stehen in wirksamem Gegensatz zu der
lebensvollen Anspannung im Körper des Menelaos und zu dem