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Die griechische Kunst.
ster Ruhe. Diesen Eindruck hat der Künstler so wirkungs-
voll erreicht, indem er nicht dabei stehen blieb, dem einen
Beine, dem rechten, völlige Ruhe und Unthätigkeit zu ge-
währen, sondern auch noch das linke dadurch teilweise ent-
lastete, dafs er den rechten Arm als Stütze benutzte. Dieser
Stellung, die uns zuerst bei der dem Polykleitos zugeschrie-
benen Amazone begegnete, war auch die des Apollon Sau-
roktonos verwandt, der auf Praxiteles zurückgeht. Auch von
unserem Satyr ist es höchst wahrscheinlich, dafs er eine
Nachbildung eines Werkes des Praxiteles ist, wenn auch nicht,
was man lange geglaubt hat, des sogenannten Satyros Periboetos,
d. h. des Vielberühmten.
Hermes aus Olympia. Dagegenist es von dem folgenden
Bilde (Taf. 18, Fig. 3) bezeugt, dafs es ein Werk des Praxiteles sei,
vielleicht ein Werk seiner Jugend G1). Es ist der schöne Hermes,
der im Jahre IS77 zu Olympia innerhalb der Ruinen des Hera-
tempels gefunden worden ist. Auf dem linken Arme hält er
ein Knäblein von solcher Körpergröfse, wie sie etwa ein neu-
geborenes Kind hat. Es ist der kleine Dionysos. Hermes
ruht in bequemer Stellung auf dem rechten (nachträglich ge-
fundenen) Fufse und stützt zugleich den linken Ellenbogen
auf einen Baumstamm, den seinesu Mantels ungewöhnlich
reicher Faltenwurf beinahe verhüllt. (Ahnlich, aber umgekehrt,
ist die Stellung des betrachteten SatyrsA Auf dem ge-
stützten Unterarme sitzt der kleine, unten mit einem Gewand
bekleidete Knabe. Mit dem rechten Füfschen auf einen Ast-
ansatz des Baumes tretend erhebt er sich eben etwas und
scheint, indem er die Rechte an des Hermes Schulter legt,
lebhaft vorgeneigt mit der Linken nach etwas zu langen, was
ihm der ältere Bruder spielend mit seiner leider verlorenen
Rechten von oben entgegen hielt. Eine Traube kann es nicht
wohl gewesen sein. Die Art, wie der Gott den Kopf neigt,
das anmutige, zufriedene Lächeln, das seinen Mund umspielt,
die Richtung der Augen, die, von dem Knäblein etwas ab-
gewandt, ihn planlos in die Weite schweifend zeigt, dies alles
giebt der Vermutung grofse Wahrscheinlichkeit, dafs es ein
kleines tönendes Spielzeug 52) ist, dem Hermes mit den Fingern
der Rechten liebliche Klänge entlockt, welchen er selbst auf-
nierksam und heiter lauscht. Auch hier haben wir ein Götter-
bild vor uns, das nicht ehrfurchtsvolle Anbetung erheischt,
sondern das die Gottheit uns in rein menschlicher Handlung
zeigt. Dem Körper ist nichts von majestätischer Würde eigen,
aber er erhebt sich insofern über das Menschliche, als ihm auch
nichts von menschlicher Unvollkommenheit anzuhaften scheint.
Wie die Haltung durch die Verteilung der Last auf Bein und