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Die griechische Kunst.
pas, den Kaiser Augustus später auf dem Palatinus in dem
von ihm begründeten Tempel des Apollo Palatinus oder
Actius aufgestellt hatte; doch läfstijsich diese Ansicht nicht
aufrecht erhalten 59).
Apollon Sauroktonos. Taf. 20, Fig. 2 sehen wir einen
schönen, an einen Baum gestützten Knaben, der einer am
Stamm hinaufkriechenden Eidechse auflauert. Es würde wohl
kaum möglich sein, dem Bilde eine weitere Deutung zu ge-
ben, wenn uns nicht mehrfach überliefert wäre, dais Praxi-
teles, ein jüngerer Zeitgenosse des Skopas, einen jugend-
lichen Apollon gebildet hätte, der einer zu ihm heran-
kriechenden Eidechse mit dem Pfeile aus der Nähe auf lauerte,
weshalb er Sauroktonos, Eidechsentöter, genannt wurde.
Es sind uns so viele diesen Gegenstand behandelnde, nur
wenig voneinander abweichende Statuen erhalten, dafs an
ihrer Beziehung zu diesem Erzwerk des Praxiteles nicht wohl
gezweifelt werden kann. Einen jugendlichen Apollon also
haben wir vor uns. In natürlicher Grazie ruht des noch fast
knabenhaften Gottes schlanke Gestalt auf dem rechten Fufs.
Wie er das Tierchen an dem Baume heraufkriechen sah,
scheint er aus dem Verstecke, das ihm der Stamm gewährt
hatte, leise vorgetreten zu sein. Sein linker Arm stützt sich
auf einen Ast des Baumes. Der Oberkörper neigt sich der
Haltung entsprechend links. Das Haupt des Gottes ist von
lockigem Haar umspielt, das durch eine Binde zusammen-
gehalten ist. Das vorgebeugte Gesicht lugt nach dem Tier-
chen, das mit neugierig vorgestrecktem Kopfe herankriecht;
die rechte Hand des Gottes ist bereit zum Stofse, im näch-
sten Momente wird der Stachel die Eidechse treffen. Eine
tiefere Idee, wie wir sie bis jetzt meist in Götterbildern fan-
den, drückt der Sauroktonos nicht aus, auch ist nicht eine
irgendwie bedeutsame Handlung wiedergegeben, sondern eine
Scene aus dem Kleinleben, die jederzeit sich zutragen kann.
Wir haben also ein Genrebild (s. S_ 76) vor uns. Dafs ein
GOtt als 'l'räger der Handlung erscheint, dünkt uns wunder-
bar; aber wie die griechischen Dichter, so liefsen auch die
anderen griechischen Künstler zu jener Zeit die Götter gern
in rein menschlichen Lagen und Handlungen, ja Spielen auf-
treten, besonders Aphrodite, Dionysos, Eros, Ares, aber auch
den ernsteren Apollon. Unser Bild zeigt uns, wie die Griechen
den jugendlichen Apollon sich dachten. Apollon war ja ein
SO Vlelseltlgöf Gott, dafs sein Gesamtwesen in einer einzigen
Darstellung nicht ausgedrückt werden konnte. S0 haben sich
denn verschiedene Typen entwickelt. Als Gott der harmo-