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Kunst.
Die griechische
zeigt sich leidenschaftliche Kampfeslust in den ganzen Fi-
guren, um so gröfser ist die Bewegung in der Handlung,
die in den Hatternden Gewändern sich wirkungsvoll fortsetzt.
Und welche Mannigfaltigkeit in den Stellungen wufste der
Künstler auszusinnenl Das Ergreifende des Gegenstandes zu
steigern, werden Weiber mit Kindern in den Armen darge-
stellt; um so gräfslicher erscheint die Grausamkeit des Ken-
tauren, der kein Erbarmen kennt. In den Bildern dieses
Frieses, die abseits von den Brennpunkten griechischer Ge-
sittung entstanden sind, lindet sich nicht das edle Mafs wie
bei den Werken des Pheidias; der Künstler sein Name
läfst sich nicht mehr feststellen schildert in grellen Zügen;
entfesselte Leidenschaft und zugleich deren entschiedener
Gegensatz, die rnitleidige Liebe, sind die Triebfedern der
Handlungen, die sich wie in wildem Sturme hier abspielen.
So tobt und wütet der Kampf in Wirklichkeit, nichts ist ver-
schönert oder veredelt: die Darstellungsweise hat einen stark
realistischen Zug.
Rückblick. Wir stehen am Ende der zweiten Periode
der griechischen Kunst, die so reich ist an innerer Entwicke-
lung und an glanzvollen Leistungen wie keine Zeit vorher
oder nachher. Für die Architektur war während dieser Zeit
Athen der glänzende Mittelpunkt. Hier herrschte die gröfste
Thätigkeit, um die Stadt ihrer Stellung gemäifs zu schmücken,
hier gedieh diese Kunst zur edelsten Vollendung. Meist blieb
die dorische Ordnung in Anwendung, aber ihre Formen wurden
anmutiger, schlanker, leichter. Gleichzeitig entwickelte sich
die ionische Ordnung zur edlen Würde, die sich treüflich mit der
grofsen Lieblichkeit ihrer weicheren Formen paarte. In der
Plastik hatten wir zwei Richtungen zu unterscheiden, die aber
untereinander verwandt sind: bei der Bildung der Götter
das Streben nach ruhiger Erhabenheit, bei der Bildung des
Menschen das Streben nach vollendeter Schönheit. Von den
Göttern werden daher diejenigen in unübertrefflicher Weise
geschildert, zu deren Wesen Majestät und Hoheit gehört. Bei
der Bildung von Menschen und menschenähnlichen Phantasie-
wesen schuf man nicht gewisse Einzelgestalten, sondern den
Menschen schlechthin oder eine bestimmte Gattung Menschen:
Jünglinge, Männer, Greise, Amazonen, Athleten u. s. w., das
heifst man schuf Typen der einzelnen Gattungen. Auch das
Portrat mufste sich dieser Richtung fügen, indem alles Neben-
sächliche unbeachtet blieb, das Einzelwesen mehr oder weniger
ZUT Gattung Emporgehoben wurde. Mit einem Worte: die
plastische Kunst dieser Periode ist, von wenigen Ausnahmen
abgesehen, idealistisch, mag das dargestellte Wesen der