Volltext: Einführung in die antike Kunst ([Textband])

Zeitlich sehr nahe steht den Parthenonskulpturen das Ori- 
ginal zu dem Taf. 16, Fig. 6 mitgeteilten Relief Orpheus 
und Ellrydjke, die für ewig voneinander Abschied nehmen. 
Orpheus war aus Schmerz um die ihm durch den Tod ent- 
rissene Gattin bis in die Unterwelt hinabgedrungen und hatte 
bei dem sonst unerbittlichen Hades Mitleid erregt. Eurydike 
sollte ihrem Gatten folgen, aber Orpheus dürfe sich nicht 
eher nach ihr umsehen, als bis er die Oberwelt erreicht habe. 
Von Sehnsucht nach der 'l'euern gequält, übertritt er das Ver- 
bot und mufs sie so von neuem scheiden sehen. Voll Weh- 
mut und Zärtlichkeit neigt sich Eurydike ihm zu und legt 
ihre linke Hand auf seine Schulter. Er hebt sanft seine Hand 
empor und sucht zagend die ihrige zu halten 54). Aber schon 
steht zur Linken der Seelenführer Hermes. Zwar widerstrebt sein 
Gefühl seiner harten Piiicht, wie seine verlegen an den Ober- 
schenkel geprefste Rechte beweist, aber er mufs seinen Beruf 
erfüllen und fafst Eurydike sanft mahnend an der Hand. Offen- 
bar zeigt sich bei allen Figuren der Gruppe das Bestreben des 
Künstlers die Äufserungen der seelischen Bewegungen mög- 
lichst zu mildern und zu einem edlen Mafse abzutönen. Auf 
der andern Seite ist der durch die Komposition durchklingende 
Grundton so kräftig, dafs er den Beschauer unwillkürlich zu 
wehmutsvoller Teilnahme stimmt. 
Hera. Farnese und Hera Ludovisi. (Taf. 16, Fig. 7 
und 8). Im folgenden gilt es zwei unter sich ähnliche Köpfe 
gleichzeitig zu betrachten und miteinander zu vergleichen. 
Es sind zwei Frauenköpfe, die an äufserem Schmuck die Stirn- 
krone, Stephane, gemeinsam haben, das Abzeichen der Götter- 
königin Hera. Nach ihrem Aufbewahrungsorte heifsen sie 
Hera von Neapel oder Farnese (Fig. 7) und Hera Ludo- 
visi (Fig. 8). Während bei der ersten das genannte Attribut 
einer einfachen Binde ähnlich das Haar umschliefst, sehen 
wir bei der Hera Ludovisi eine wirkliche, in der Mitte höher 
werdende, mit Palmetten und Kelchen reichgeschmückte Stirn- 
krone, vor welcher eine geknotete Wollenbinde, Infula, hinläuft, 
deren Enden rechts und links bis auf die Schultern herab- 
hängen. Der Neapeler Kopf ist unmerklich nach vorn und 
nach rechts geneigt, bei dem andern läfst sich eine stärkere 
Neigung nach links wahrnehmen. Bei beiden sind die Haare 
gewellt, aber während Sie; bei  7 straffer lllld hinter die 
Ohren zurückgeschlungen sind, erscheinen sie hier flüssiger, 
verdecken einen gröfseren Teil der Ohren und fallen in 
Locken die Infula umringelnd bis auf die Schulter herab. 
Die bei beiden zum Ausdruck der Willensenergie vorgewölbte 
Stirn ist dort breiter und höher als hier. Mehr noch sind
	        
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