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Die griechische
Kunst.
sischen Krieges so sehr gehindert, dafs erst gegen das Iahr
409 die Vollendung erfolgt sein kann. Da nun die griechische
Kunst, wie wir schon gesehen haben und noch weiter bemer-
ken werden, sich vom Strengschönen zum Anmutigen ent-
wickelt, so erklärt es sich, dafs dieser erst so spät Vollendete
Tempel durch seine zierlichen, heiteren Verhältnisse im Gegen-
satze steht zu dem ihm gegenüberliegenden ernsten, erhabenen
Bauwerk, dem unter Perikles' Leitung entworfenen und ausge-
führten 35) Parthenon.
Zum Eingange des Parthenon gelangen wir, wenn wir
zunächst an seiner nördlichen Langseite hinschreiten und an
der Ostecke uns rechts wenden; denn der Eingang lag nach
Osten, also auf der von dem Beschauer des Bildes Taf. 13,
Fig. 10 abgelegenen Seite. Wir haben vor uns einen Tempel
von Ltngewöhnlich grofsen Verhältnissen und mit einer bedeut-
samen Änderung in der Anlage (vgl. Grundrifs Taf. 14,
Fig. 8). Hinter der Cella ist, zwischen dieser und dem Posti-
cum oder Opisthodomos, noch Mein Raum eingeschoben, der
Parthenon im engern Sinne Aufserlich ist der Tempel ein
dorischer Peripteros mit doppelter Säulenreihe vorn und hinten.
In der Front hat er acht Säulen (oktastylos), auf den Lang-
seiten Siebzehn. Sein Umfang beträgt 31 : 70 m, seine Höhe
etwa 20 m. Taf. 14, Fig. 9 bietet uns eine Ansicht dessel-
ben von Nordwesten aus, 'l'af. 14, Fig. 10 die nordöstliche
Ecke der gröfseren Anschaulichkeit wegen im Aufbau. Auf
einer Basis von drei Marmorstufen erhebt sich der marmorne
Säulenwald über die mit Platten belegte Umgebung. Die Höhe
der Säulen (10,4 beträgt 52], Säulenclurchmesser, ihre
Intercolumnien [U3 Durchmesser. Auch der ganze Oberbau war
aus pentelischem Marmor hergestellt. Das Epistyl war auf den
Langseiten wahrscheinlich mit Kränzen oder Binden, auf den
Schmalseiten (wenigstens später) mit grofsen Schilden geschmückt.
An allen diesen Teilen war dem weifsen Marmor durch einen
leichten Farbenton seine blendende Naturfarbe genommen. An
dem darauflagernden Fries Waren vermutlich die Kanäle der
Triglyphen tief blau gefärbt, die von ihnen eingeschlossenen
Metopenplatten zeigten auf rot gefärbtem Grunde prächtige
I-lochreliefs. Das über den Metopen hervortretende Geison war
an der unteren Fläche rot gefärbt, die Tropfenplatten dagegen
-blau, die Tropfen selbst vielleicht golden. Die Stirnfläche des
Geison zeigt unten einen Mäander in nicht mehr bestimmbarer
Farbe, der obere Teil war sicher rot; das dorische Kymation
darüber war blau und rot gehalten. Das Geison am Giebel hat
ein lesbisches Kymation mit herzförmigen, ebenfalls wohl blau
und rot gemalten Blättern, die Sima endlich zeigt einen eben-