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Seht das Kleid an. Es ist elastisch und solide.
Es zieht weichlich nach, es lebt, es sagt ganz laut,
was diese Frau ist. Das ist nicht das Kleid einer
Puppe, irgend ein Mousselinestoff, in den man die
Träume kleidet: das ist gute wirkliche Seide; sie
würde zu schwer auf den zu Schaum geschlagenen
Cremes des Herrn Dubuffe liegen.
Du willst Realisten, Temperamente, hat man
mir geschrieben; nimm Ribot. Ich bestreite aber,
dass Ribot ein ihm gehörendes Temperament hat
und bestreite, dass er die Natur in ihrer Wahrheit
wiedergiebt.
Zuerst die Wahrheit. Seht die grosse Lein-
wand an: „_]esus unter den Schriftgelehrten in einer
Ecke des Tempels". Es sind weite Schatten da. Die
Lichter breiten sich in fahlen Flächen aus: wo ist
das Blut, wo ist das Leben? Das soll Wirklichkeit
sein? Die Köpfe dieses Kindes und dieser Männer
sind ja hohl, kein Knochen ist in diesen schlaffen
und aufgetriebenen Fleischpartieen. Nicht deshalb
schon, weil die Typen ordinär sind, darf man dies
Bild für ein reales Werk ausgeben. Ich nenne
real ein Werk, das lebt, ein Werk, dessen Personen
sich bewegen und sprechen können. Hier sehe ich
nichts als tote Kreaturen, ganz bleich und aufgelöst.
Was kommt's auf die Wahrheit an, habe ich
gesagt, wenn die Lüge von einem besonderen und