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sehr gut das Gefühl der Menge wiedergiebt. Eines
Tages sassen Manet und ein sehr bekannter Schrift-
steller vor einem Cafä auf den Boulevards. Ein
Journalist kommt vorbei, dem der Schriftsteller den
jungen Meister vorstellt. „I-Ierr Manet," sagt er.
Der Journalist stellt sich auf die Zehenspitzen,
sucht rechts, sucht links Endet endlich vor sich
den Künstler, der bescheiden dasitzt und ein win-
ziges Plätzchen einnimmt. "Verzeihung," ruft er,
„ich glaubte, Sie wären riesengross und suchte
überall ein Grimassen schneidendes Galgengesicht".
So ist das ganze Publikum.
Die Künstler selber, die Kollegen, die in der
Sache klar sehen sollten, wagen nicht, sich zu ent-
scheiden. Die einen, die dummen, lachen, ohne hin-
zusehen und machen sich über diese starken und
überzeugten Bilder lustig; die anderen sprechen von
Unvollständigkeit des Talentes, von gewollten
Brutalitäten, von systematischen Gewaltthaten. In
Summa, sie lassen das Publikum scherzen, ohne
auch nur zu denken, dass sie ihm sagen
müssten: lacht nicht so stark, wenn ihr nicht für
Dummköpfe gelten wollt. Es ist nicht der kleinste
Grund zum Lachen in alledem. Hier steht nur
ein aufrichtiger Künstler, der seiner Natur ge-
horsam ist, das Wahre voll Eifer sucht, sich ganz
giebt und keine unserer Feigheiten hat.