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Der Salon ist also nicht der vollständige und
erschöpfende Ausdruck der französischen Kunst im
Jahre des Heils 1866; er ist vielmehr ein von
achtundzwanzig Köchen hergerichtetes Fricassee.
Ein Salon ist in unsern Tagen nicht das Werk
der Künstler, sondern der Jury. Ich beschäftige
mich mithin vor allem mit der Jury, die diese
langen, kalten, fahlen Säle zu verantworten hat, in
denen sich unter dem scharfen Lichte alle furcht-
same Mittelmässigkeit, alle gestohlene Berühmtheit
ausbreitet.
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Vormals war die Akademie der schönen Künste
der Koch, der sich die weisse Schürze umband und
selber zugrilf. Zu jener Zeit war der Salon ein
fettes, nahrhaftes Essen, stets das gleiche. Man
wusste schon vorher, welchen Mut man mitbringen
musste, um die seit Ewigkeiten geltenden Braten-
stiicke und die weichlich gerundeten Klösse herunter-
zuessen, an denen man langsam, doch sicher erstickte.
Die alte Akademie, die begründet war, um eine
Köchin zu sein, hatte ihre Rezepte, von denen sie
sich niemals entfernte. Sie richtete sich so ein,
dass sie, mochten sich die Temperamente und Zeit-
läufte verändern, stets das gleiche Gericht dem
Publikum vorzusetzen hatte. Das hielt das Publikum
auf die Dauer nicht aus, es war am Ersticken, be-
klagte sich, bat um Gnade. Es wollte, dass man
ihm den Geschmack anregendere, leichtere, für den