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lange die Menge nicht den einzigen Gesichtspunkt
hat, welcher erlaubt, in gesunder Weise ein Kunst-
werk zu richten.
Nie wird das Publikum gerecht gegen die wirk-
lich schöpferischen Künstler sein, falls es sich
nicht begnügt, in einem Werke einzig eine freie
Übersetzung der Natur in einer besonderen und
neuen Sprache zu suchen. Ist es nicht tieftraurig,
heute zu denken, dass man einen Delacroix aus-
gezischt hat, dass man diesen Genius zur Ver-
zweiflung brachte, der erst im Tode triumphierte?
Was denken seine ehemaligen Lästerer und weshalb
gestehen sie nicht laut, dass sie blind und unklug
gewesen sind? Das würde eine Lehre sein. Viel-
leicht entschlösse man sich dann, zu begreifen, dass
es keinen allgemeinen Massstab, keine Regeln,
keine Notwendigkeiten irgend welcher Art giebt,
vielmehr lebendige Menschen, die einen der freien
Ausdrücke des Lebens bringen, ihr Fleisch und
Blutageben und um so höher im Ruhm steigen, ie
persönlicher und selbstherrlicher sie sind. Dann
wird man mit Bewunderung und Sympathie zu den
Bildern von freiem und seltsamen Gebahren gehen;
eben sie wird man mit Ruhe und Aufmerksamkeit
studieren, um nachzusehen, ob sich nicht eine Seite
des menschlichen Genies darin enthüllt. Man wird
verächtlich an den Kopieen vorbeigehen, an dem
Stammeln von Pseudo-Persönlichkeiten, an all den
Bildern für einen oder zwei Pfennig, die nichts als