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beweist, mit welcher Naivetät er sich vor die Natur
stellt; wenn er mehrere Gegenstände oder mehrere
Figuren vereinigt, wird er bei seiner Wahl durch
nichts als durch den Wunsch bestimmt, schöne Flecke,
schöne Gegensätze zu bekommen. Es ist lächerlich,
aus einem Künstler, der einem solchen Temperament
gehorcht, einen mystischen Träumer machen zu
wollen.
Nach der Zergliederung die Zusammenfassung.
Nehmen wir gleichviel welches der Bilder Manets
und suchen nichts anderes, als was es enthält: be-
leuchtete Gegenstände, wirkliche Geschöpfe. Der
Gesamtanblick ist, wie ich es gesagt habe, leuchtend
blond. In dem ausgebreiteten Licht sind die Ge-
sichter in breiten Fleischflächen behandelt, die
Lippen werden einfache Striche, alles vereinfacht
sich und hebt sich vom Hintergrunde in machtvollen
Massen ab. Die Richtigkeit der Töne stellt die
Pläne fest, erfüllt das Bild mit Luft, giebt jedem
Gegenstande Kraft. Man hat, um sich über Manet
lustig zu machen, behauptet, dass seine Bilder an
die Bilderbögen von Epinal erinnern; sehr viel
Wahrheit liegt in diesem Spott, der ein Lob ist.
Dort auf den Bilderbögen und hier auf den Bildern
sind die Verfahren die gleichen, die Tinten sind
schichtweise angewendet, mit dem einzigen Unter-
schiede, dass die Arbeiter der Bilderbögenfabrik die
Töne rein brauchen, ohne sich um die Werte zu
kümmern, Edouard Manet die Töne jedoch verviel-