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nicht mit diesem Unterricht abfinden konnte, und
der Einfluss dieser seinem inneren Wesen entgegen-
stehenden Erziehung wirkte noch nach, als er die
Schule verlassen hatte. Drei Jahre schlug er sich
in dem Schatten dieser Vorträge und Ratschläge
herum, arbeitete, ohne genau zu wissen, was er
sah, noch was er wollte. Erst im Jahre 1860 malte
er den "Absynthtrinker", in dem freilich immer
noch ein vager Eindruck von den Werken des
Thomas Couture bleibt, endlich aber im Keim der
Künstler schon enthalten ist.
Vom Jahre 1860 an ist sein künstlerisches
Leben dem Publikum bekannt. Man erinnert sich
des seltsamen Eindrucks, den einige von seinen
Bildern auf der Ausstellung Martinet und im Salon
der Zurückgewiesenen 1863 hervorriefen. Man
erinnert sich gleichfalls des Lärms, den seine Bilder
„Christus und die Engel" und die „Olympia" auf
den Salons von 1864 und 1865 erzeugten. Bei
der Betrachtung seiner Werke werde ich auf diese
Periode seines Lebens zurückkommen.
Edouard Manet ist mittelgross, eher klein als
gross. Sein Haar und Bart sind blass kastanienbraun,
die Augen, dicht beieinander und tief, haben jugend-
liches Leben und Feuer. Der Mund ist charak-
teristisch dünn, beweglich, etwas spöttisch in den
Mundwinkeln. Das ganze Gesicht von einer feinen,
intelligenten Unregelmässigkeit zeigt Biegsamkeit,
Kühnheit, Verachtung des Banalen und der Dumm-