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erst von vor sechs oder sieben Jahren. Ich würde
nicht wagen, Manet nach den dreissig bis vierzig
Bildern, die ich von ihm kennen und bewundern
gelernt habe, in einer absoluten Weise beurteilen
zu wollen. Hier ist kein feststehendes Ganze; der
Maler steht in den fieberhaften Jahren, in denen
das Talent sich entwickelt und gross wird. Er hat
bis jetzt zweifellos erst einen Teil seiner Persön-
lichkeit oifenbart und zu viel Leben, Zukunft und
Zufälle aller Art vor sich, als dass ich versuchen
könnte, auf diesen Seiten seine Erscheinung voll-
ständig darzustellen.
Sicherlich würde ich es nicht unternommen
haben, die einfache Silhouette, die es mir nur zu geben
möglich ist, zu zeichnen, wenn nicht mächtige, be-
sondere Gründe mich hierzu veranlassen würden.
Die Umstände haben aus Edouard Manet, obwohl er
noch sehr jung ist, eines der denkwiirdigsten und
belehrendsten Studienobjekte gemacht. Es ist mir
notwendig erschienen, zu studieren und zu erklären,
welches die seltsame Stellung ist, die ihm nicht
allein vom Publikum, auch von der Kritik und den
Künstlern in der zeitgenössischen Kunst bereitet
wird. Und hier ist es nicht mehr allein die Per-
sönlichkeit Eduard Manets, die mich beschäftigen
wird, sondern unsere künstlerische Bewegung über-
haupt die Frage nach den zeitgenössischen
Meinungen in ästhetischen Dingen.
Ein merkwürdiger Fall hat sich ereignet. Ein