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ihrer Farbenpracht und der Kunst der auf ihnen gewirk-
ten phantastischen Darstellungen. Die Beschreibungen
von mystischen Thieren, Drachen, Löwen, Tigern u. s. w.,
die auf ihnen dargestellt waren, stimmen vollkommen über-
ein mit demjenigen, was wir noch heute auf den Wänden
von Ninive sehen. Nicht blofs in den Gegenständen, son-
dern auch in der Art der Behandlung würden wir eine
vollständige Uebereinstimmimg erkennen, wenn uns die
Vergleichung noch möglich wäre.
Die assyrische Skulptur hat sich offenbar innerhalb
der Schranken bewegt, welche ihr durch ihren Ursprung
vorgezeichnet waren, wenn auch der fremde Stoff neue
Mittel des Heraushebens der Gegenstände aus dem Grunde
gestattete. Es zeigt sich ein Ringen nach Naturwahrheit,
dessen Grenzen nicht durch hierarchischen Zwang, son-
dern, neben despotischem Hofceremoniell, besonders durch
die Laune einer der Skulptur fremden Technik gestellt
waren, deren Reminiscenzen noch fortwirkten. Die Hal-
tung der Figuren ist steif, aber nicht zu blofsem Schrift-
zeichen erstarrt, sondern nur gefesselt. In ihrem Zusam-
menwirken sind sie schon oder vielmehr noch bildliche
Bearbeitungen einer berühmten geschichtlichen That oder
einer Hofceremonie u. s. w., nicht wie die ägyptischen
Bilder, einfach die Mittel zur Verewigung eines F actums,
gemalte Chronik. Auch in der Anordnung, zum Beispiel
in der Beobachtung gleicher Kopfhöhen, zeichnen sie sich
vor letzteren aus. Scharfe fadenumzogene Umrisse, hart
ausgedrücktes Muskelwerk, Vorherrschen des ornamenta-
len Beiwerkes und der Stickereien, zeugen von ihrem
Ursprunge und von Uebertreibung, aber nicht von todter
Manier. Die Köpfe zeigen nicht die geringste Spur