95
Der alt-hellenische Cultus war an Opfer geknüpft,
die auf den höchsten Bergspitzen des Landes gehalten
wurden. Dort beßnden sich noch jene alten, auf cyklopi-
schem Unterbaue errichteten Plateaus, auf denen der gi-
gantische, aus der Asche der Hekatomben errichtete A1-
tar stand, und neben ihm eine kleine Capelle, dessen Gie-
beldach nicht auf Säulen stand, sondern eine gemauerte
Cella. umnittelbar überdeckte. Mochte nun der assyrische
Thurmbau auf denselben ursprünglich auf Bergspitzen ge-
haltenen Naturdienst fufsen, oder umgekehrt von dorther
den bergbewohnenden Hellenen dieser Cultus vererbt wor-
den sein, nicht zu verkennen ist die Vvurzelverwandt-
Schaft
zwischen
beiden.
Aus
dieser
Erdhütte
nun erwuchs
mit Hülfe
fremder
Elemente
hinzugetragener
der
griechische
Tempel.
wenn auch, nach dem angeblichen Beispiele des Delubrum zu Anticyra,
die Mauern der templa in antis etc. ursprünglich das rohe Steinwerk
zeigten.
Um nochmals auf die Aeufsarlichkeit der classischen Architektur zu-
rückzukommen, so giebt es eigentlich keine bedeutendere Bauform, die
nicht aus dem ursprünglich darin verhaltenen Begriffe des Hofes hervor-
gegangen wäre. An den ägyptischen Tempeln wurde dies oben nachge-
wiesen; aber auch die gothische Kathedrale ist eine überwülbte Basilika,
d. h. ein Hof, dessen mittlerer offener Raum dadurch in das Gebiet des
Inneren gezogen wurde, dass man ein höheres Dach darauf setzte. Die
gothischen Baumeister selbst waren dieser Bedeutung desselben vollständig
eingedenk, wie schon die Fensterdurchbrechungen des Triforium und der
mit goldenen Sternen geschmückte Azurgrund der hohen Mittelgewölbe es
beweisen.
Sogar das antike Pantheon und die byzantinischen Dome sind nichts
weiter als überwölbbe Atrien, deren oft runde Form schon aus des Plinius
Briefen bekannt ist. Es sind die atria testndinata oder tiestndine teeta.
des Vitruv.