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treten der neuen Ordner der Gesellschaft hin. Sie stü-
tzen ihr System auf Gesetze, die sie zum Theil dem hie-
rarchisch-arist0kratischen Aegypten entlehnen, und geben
dem vorher dichterisch asiatischen Hellenenthume eine
tempelbauende Richtung.
Wäre ihr System siegreich geblieben, niemals konnte
dann das Hellenenthum in seiner wahren eigenthümliehen
Herrlichkeit erstehen; niemals konnte sich dann die Kunst
der Fesseln ganz entwinden, die sie in Aegypten band.
Nur wo der freie ionische Geist des neuen Stoffes Herr
wurde, ihn durchdrang und belebte, war dies Ziel er-
reichbar.
Anfallende und neue, zuweilen willkürliche und durch
die Gesetze der strengen Architektonik ungerechtfertigte
Verbindungen oder Verzwitterungen der verschiedenen
vorgefundenen Bauelemente mussten vorangehen, ehe die
Schöpfung des griechischen Tempels vollendet war.
Nur dadurch ward'sie möglich, dass alle Künste ihre
Opfer brachten und die Schranken duldeten, innerhalb
welcher sie höchste Freiheit in der Entfaltung ihrer Mit-
tel handhaben konnte, ohne dem Ganzen zu schaden.
Doch werfen wir vorher einen Blick auf dasjenige,
was ein griechischer Tempel in seinem allgemeinen Zu-
isammenhange war.
Der ganze Tempelbezirk hiefs das Heiligthum (12: is-
Qöv) und war, gleich jenen asiatischen Anlagen, ein wei-
tes, länglicht viereckiges Plateau, das sich auf kräftigen
Quadersubstructionen mehr oder weniger hoch über der