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Das Erhabene.
Aber in dieser Art muss das Erhabene des Bösen sich zeigen.
Gräuelthaten häufen hat nichts mit der Erhabenheit zu thun. Ein
Mensch, der das Böse übt, ohne Kämpfe wie die geschilderten zu be-
stehen, kann nie erhaben erscheinen. Er wird für uns entweder dämo-
nisch (Richard III. steht schon in dieser Beziehung auf der Griinze),
maasslos furchtbar, oder wird zu einem unmenschlichen, rohen Unge-
heuer und erscheint thierisch, viehisch. Mit einem Teufel oder einem
viehischen Barbaren hat das Erhabene nichts zu schaffen. Dies wird
leider von vielen Künstlern vergessen, die uns Seheusale vorführen und
uns statt mit den Gefühlen des Erhabenen, die sie in ihrer Verkehrtheit
bezwecken wollen, nur mit Empfindungen des Entsetzlichen und Ekel-
haften erfüllen.
Das Erhabene bewirkt Hochachtung, Verehrung. Freilich auch
wohl Unzufriedenheit, Neid und Hass bei schwächeren und lllletllüll
Seelen. Die volle, gleiche Harmonie des Schönen giebt es nie; es bleibt
in ihm stets ein Streben, ein Emporblicken oder sein (wigenthümlicher
Charakter ist verloren und es ist zum Schönen geworden, oder in
andere Empfindungen übergegangen. Leicht drückt es uns, weil wir
dagegen so klein erscheinen; wessen Seele nicht den Hochgenuss findet,
zu ihm hinanznstreben, emporzueifern, sich selbst so gross zu machen,
(lass er das Erhabene ausmessen und erfassen kann, wer dagegen in
verletzter Eitelkeit Neid fühlt, wer nicht bewundern, verehren kann,
was höher steht als das eigne Ich, der wird das Erhabene mit Unwillen
ertragen, wird neiden, wird es scheuen oder es gar hassen. Das sind
die Seelen, die es lieben, das Glänzende zu schwarzen und das Er-
habene in den Staub zu ziehen. Das sind die Henkerskneehte, die den
edlen Dulder martern. Das sind die Jago's, die den Othello hassen
und in's Verderben stürzen, das ist die Oanaille, die einen grossen Ge-
fallenen mit Füssen tritt und ihn in Fetzen zerreisst, das sind alle die,
welche Erhabenheit zu einer Art 11111011 für das Leben machen.
Eine gewisse Scheu vor dem Erhabenen bleibt immer bestehen.
Denn wir sehen in ihm ja gerade eine übermächtige Kraft, eine (irösse,
die wir selber nicht so besitzen. Aber diese Scheu, die dem Furcht-
baren zu Theil wird, welches uns in dieser Weise im Erhabenen zu liegen
scheint, wird sich in Achtung So lange ich vor einem Ge-
witter mit den zuckenden Blitzen und dem rollenden Donner ein Gefühl
der Angst und Idurcht empfinde, betrachte ich es nicht als erhaben,
doch wenn ich, nicht gleichgültig, nicht fürchtend, aber achtungsvoll
seine Gewalt und Herrlichkeit betrachte, dann und nur dann erscheint
es mir erhaben.
Das Wohlgefallen am Erhabenen wird entweder dadurch erweckt,
dass es als schützend für uns angeschaut wird ganz abgesehen von
dem rein ästhetischen Wohlgefallen, welches aus der Harmonie ent-
springt, die es in sich tragt und welche es vom Fnrcht.baren in dieser