Das Erhabene.
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steige gewaltig empor, schroff, schwierig, so empfinde ich mit dem Ge-
fühl meines kleinen, dagegen nichts bedeutenden Maasses den Eindruck
des Erhabenen immer vorausgesetzt, dass er den Ausdruck des
Schönen an sich trägt. Ein Chaos kann nie erhaben sein. In dieser
Weise hat man das richtige Maass zu suchen. Ausserdem freilich kämen
wir auch beim Erhabenen nur zu einer öden Einheit, der philosophischen
Gewissheit des "Ich"; die Aesthetik hat mit ihren mannigfaltigen Er-
scheinungen alsdann von selber aufgehört.
So lange ich aber nach einem deutlichen, mir völlig geläufigen
liiaass messen kann, so lange giebt es für mich kein Erhabenes.
Hierauf hat vor Allem der Baumeister zu achten, dessenKunst aus ver-
schiedenen Gründen zum Erhabenen drängt. -Giebt er mir an seinem
Bau, dessen Grösse, Kühnheit, Gewaltigkeit und Schönheit das Gefühl
des Erhabenen erwecken soll, die Maassstäbe zur Grössenbeurtheilung,
so zerstört er dadurch die verlangte Maasslosigkeit für meine Beur-
theilung, schadet also der Empfindung, die er hervorrufen will. Die
Pyramiden werden kleiner, sobald man ihre Stufen zählt, ohne dass
diese perspectivisch für den Blick zusammenlaufen.
Andererseits kann das, was mir die Maassstäbe nimmt, den Ein-
druck des Erhabenen hervorrufen, wo er an sich nicht erweckt sein
würde. In dieser Weise sind Dämmerung und Dunkelheit wichtig.
Das Erhabene zeigt sich in so mannichfacher Weise, dass keine
anderen Gränzen als die gegebenen Bestimmungen dafür aufzustellen
sind. Es erscheint in der Natur, es erscheint im geistigen Leben,
überall, 'wo wir liinaufsehen zur unfassbaren Grösse. Wie sollte man
hier nicht an Hiob oder an die Psalmen erinnern oder an die gewaltigen
Propheten. Wenn der Herr zu Hiob sagt: „ Kannst Du dem Ross Kräfte
geben oder seinen Hals zieren mit Geschrei? Kannst Du es schrecken
wie die Heuschrecken? Flieget der Habicht durch Deinen Verstand
und breitet seine Flügel gegen Mittag? Fleuchet der Adler auf Deinen
Befehl so hoch? Siehe den Behemoth. Seine Knochen sind fest wie Erz,
seine Gebeine sind wie eiserne Stäbe Er schluckt in sich den Strom
und achtefs nicht gross; lässt sich dünken, er wolle den Jordan mit
seinem Munde ausschöpfen... Kannst Du den Leviathan fangen mit
einem Hamen und seine Zunge mit einem Strick fassen? Kannst Du
ihm eine Angel in die Nase legen und mit einem Stachel ihm die
Backen durchbohren? Meinest Du, er werde Dir viel Flehens machen
oder Dir heucheln? Wer kann ihm sein Kleid aufdecken? Und wer
darf es wagen, ihm zwischen die Zähne zu greifen? Wer kann die
Kinnbacken seines Antlitzes aufthun? Schrecklichstehen seine Zähne
umhein... Sein Niesen glänzet wie ein Licht; seine Augen sind wie
die Augenliede der Morgenröthe. Aus seinem Munde fahren Fackeln
und feurige Funken sehiessen heraus... Sein Odem ist wie leichte
Lohe und aus seinem Munde gehen 1713111111611. Sein Herz ist so hart