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Empfindungen
Die
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Schönen
dem
Erhabenen.
und
von Jedem zu fliehen, der unser ästhetisches Interesse zu erwecken
sucht; es sei denn, dass er eine Folie für seine höheren Gestaltungen
braucht, die er doch nicht aus dem Hässli-chen nehmen will. Der
'I'rivialität gefallt freilich auch das 'I'riviale. Wenn Shakespeare uns
hin und wieder Dutzendmenschen verführt, wie Rosenkranz und Gulden-
Stern im Hamlet, so erkennen wir darin eine meisterliche Anwendung;
schlimm aber ist es, wenn, die ganzen Werke, wie eine Unzahl von
englischen, schwedischen und deutschen Romanen, sich nicht aus der
Sphäre des Langweiligen und Gewöhnliehen erheben und wir in solchem
grauen Philisterthum und seinem bleiernen Druck nichts als die ge-
wöhnliehsten Seiten des gewöhnlichen Lebens wiederfinden.
Nach dem Hässlichen hinüber haben wir es als das Niedrige be-
zeichnet, indem bei dieser Empfindungsich eine gewisse Lachbarkcit
und Gleichgültigkeit mit Widerwillen paart. Ueber das Niedere fühlen
wir uns erhaben. Es zeigt uns noch nicht ganz verschobene, wider-
sprechende Verhältnisse, steht aber schon hart an der Gränze, wo
unser Unmuth sich in Widerwillen verwandelt. Es giebt das niederste
Maass an; was darunter fällt wird gemein in des Wortes schlimmer
Bedeutung und nicht als "gewöhnlich" gefasst. Niedrig ist der Aus-
druck eines Menschen, in welchem das Thierische der menschlichen
Natur zum Vorschein kommt, ohne das Geistige ganz zu verdrängen.
Er wird gemein, wenn er sich in Sinnlichkeit, Rohheit u. s. w. zum
Viehischen steigert, in welchem Begriffe das geistige Element ganz
ausgeschlossen ist. Das im schlechten Sinn Bäurische und
Plebejische, dann das Cynisohe, Unfläthige, Pöbelhafte hat im Niederen
und Gemeinen sein Wesen. Hier agiren die Kärrner, die Gadshill
die Laterne nicht leihen wollen und mit John Fallstaf? Bekanntschaft
machen, hier der Pöbel des Coriolanus, oder die brüllende Masse, für
welche der Pförtner in Heinrich VIII. ein Dutzend Dornstöcke, und
starke, bestellt; hier die Figuren der Schenk- und Kirmessbilder der
holländischen Schule; hier finden die tinfiathigen Spasse der Fastnacht-
spiele und des Hans Wurstes ein, wieherndcs Gelächter; hier flucht
und säuft der Trunkenbold, keift das schmutzige Trödelweib von
all dem Gewöhnlich-Niederen abgesehen, mit welchem das Leben an-
gefüllt ist.
Es ist ein ungemein grosses Gebiet. Gllücklicher Weise wird es
für die Aesthetik verwendbarer, weil es, noch nicht vom absolut Häss-
lichen erf'üllt und ohne Furchtbares in sich zu tragen, leicht durch das
Komische aufgelöst werden kann. Wir werden den Gebrauch, den das
Komische davon macht, bald näher betrachten.
Das Gemeine hat natürlich seine Freude am Gemeinen, das Nie-
dere am Niederen. Die Spässe eines Eulenspiegel und Pfaden von
Kalcnbcrg sind das Entzücken von Jahrhunderten gewesen. Eine da-
von verschiedene Anwendung findet ("las Lachbar-Hässliche, wenn