Volltext: Populäre Aesthetik

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Die Empfindungen ausser 
dem Schönen und Erhabenen. 
Mit dem Hässlichen verbunden wird es zum Grausigen, Scheuss- 
liehen, Entsetzlichen. Es bedarf hierfür keiner besonderen Aus- 
einandersetzungen. Ich will nur, weil wir uns soeben im Gebiet des 
Dämonischen bewegten, daran erinnern, dass unsere nordische Phan- 
tasie sich zu diesem Hasslich-Furchtbaren neigt, während der von 
Schönheit mehr durchdrungene Hellene sich eher mit dem Furchtbaren 
genügen liess. Unsere Hexen mit scheusslichen Attributen und manche 
seiner Schaum-gestalten, z. B. seine Gorgo mögen dafür angeführt wer- 
den. Wenn wir an das Furehtbare keinen lllaassstab legen, haben 
wir natürlich auch keinen Eindruck von Furchtbarem. Sowie wir ihm 
gegenüber ein Maass linden, mindert sich sein Schrecken oder fallt 
fort. Daher Verliert es sich durch Gewöhnung, die uns schliesslich ein 
ruhiges Urtheil gestattet. Der Seemann ermisst die Gewalt des Meeres 
und nun hört  ausserordentliche Fälle ausgenommen  die Furcht 
auf, die ein Anderer vielleicht empfindet. Der Abgrund, der den unge- 
wohnten Blick mit Schwindel umnachtete und uns in wirren Kreisen 
zum Sturz zu ziehen schien,  er hat uns nicht getödtet. Wir be- 
ginnen unsere Kraft mit ihm zu messen. Vielleicht bleibt er furchtbar, 
vielleicht erscheint er nur noch ungeheuer ode1' sehr gross, wenn wir 
ihn lange betrachten. Im Gefühl der Sicherheit mögen wir lächeln. 
Natürlich kann kein Eindruck des Furehtbaren entstehen, wenn 
der Eindruck auf eine, dem Furchtbaren nicht zugängliche, Seele trifft. 
Dies geschieht entweder, wenn dieselbe stumpfsinnig Alles von sich 
abgleiten lässt oder keine Ahnung von dem hat, was eigentlich droht, 
oder gar keine Vergleiche anstellt zwischen sich und dem Furchtbaren 
und nicht vorschauend an die Folgen denkt, oder von einem Impuls 
oder Gesetz  Aufregung, Pdiehtgefühl u. s. w.  getrieben wird, 
über welches sie Alles vergisst. Aber auch bei vollem Erkennen des 
Furchtbarcn kann der Mensch sich dagegen wahren, der unerschütter- 
lich das eigene Maass im Busen gewonnen hat, der in sich zur höchsten 
Harmonie gekommen ist. Das Vertrauen, das die Religion verleiht, 
mag ihn dahin geführt haben, indem er (lieGottheit überall sieht und 
ihr vertraut, oder der hohe Muth mag im Stolz oder durch die Ueber- 
zeugung von der unbezwinglichen Kraft des Menschengeistes gewonnen 
sein  
    si fractus 
Impavidum ferient ruinae. 
illabatur 
örbis 
Jede solche Furchtlosigkeit aber scheint über das Maass der 
schwachen menschlichen Natur hinauszurücken und wird damit er- 
haben. 
Die Verbindung des Hässlichen mit" dem Furchtbareil erzeugt die 
Empfindungen der Nachtseiten des Lebens. Hier waltet das unserer 
Natur Todfeindliehe, das wir mit dem Schauderhaften, Grausenhaften,
	        
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