des
Schaffen
Das
Schi
Bnen.
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Malerei bedient sicli für ihre schönen Erscheinungen der Farben;
Material für die Musik ist der Ton, für die Poesie die Sprache, als
Ausdruck des Gedankens. Für die Behandlung des Stoffes ist natür-
lich ein technisches Können nötliig; ohne solches Können kann das
Vorbild gar nicht oder nur stümperhaft in die Erscheinung und somit in
die Anschauung für Andere treten. Man muss also, um bei dem {än-
gefülirten zu bleiben, den Stein, die Farbe, die Töne, die Sprache rich-
tig handhaben können. Doch über das Einzelne später. Noch ist
möglich, dass der Künstler sich des Lebendigen als Stoffes bedient, so
aber, dass er sich des lebendigen Dings nur als Stoff bedient und nicht
das Schöne darauf übertragen will, wie dies bei der Verschönerung der
Natur geschah. Er benutzt nur den Schein der Natur. Bei der Gym-
nastik u. s. w. ist der Mensch selbst Ziel; der Schauspieler aber ist nicht
Ziel des Sehöiieii, sondern Mittel es auszudrücken. Er ist ein lebendiger
Stoff, dessen wirkliche Schönheit nach körperlicher und geistiger Er-
scheinung weder gebildet werden soll noch in Betracht kommt, ausser
in so weit, als er versteht, den Schein des Schönen zu geben, ein ricli-
tiges Material undiMittel zu sein, um das Ideal des Dichters verkörpert
anschaulich zu machen. Es ist dies die höchste Erscheinung dieser
Art, deren vielfache Erscheinungen Gegenstand der späteren Betrach-
tung sein werden.
Hier sei nur auf einen Punkt schon hingedeutet: auf die Vorzüge
und Mängel des lebenden Schönen und des Kunstscliönen. Sehen wir
von den steten, grossen Naturerselieinuiigen ab und von dem allge-
meinen Leben, Welches für uns wandellos erscheint, so finden wir alles
Lebendige der Veränderung unterworfen: es entsteht, wächst, hat
seinen Höhepunkt, nimmt ab, vergeht. Das Leben selbst lässt sich
nicht, etwa in seinem schönsten Moment, festhalten. Die Kunst kann dies
Schöne fixiren durch ihren Schein. Wo ist die Schönheit dieser Person
selbst, die uns aus diesem, ihrem Jugendbilde entgegenläehelt? Wo
sind die Frauen, die dem Bildner der Medicäischen Venus, die Correggio,
Rafael u. s. w. zu den Werken sassen, welche wir bewundern? Homer,
Mozart, sie sind todt; ihre Werke leben in voller Schönheit. Die Kunst
halt fest, ja es ist relativ bleibend zu nennen, was sie geschaffen hat,
um so bleibender, je unstoiflicliei- das Mittel war, dessen sie sieh zum
Ausdruck bedient. Gegen das Vergängliche des Lebens erscheint sie
unsterblich und macht unsterblich.
Fehlt dem Schein der Kunst das wirkliche Leben, so hat sie da-
gegen die Beschränktheit des Lebens in Raum und Zeit nicht. In ihr
stösst sich nicht die Wirklichkeit, herrscht nicht die schwere räumliche
und zeitliche Nothwendigkclt oder verschwindet doch relativ, herrscht
nicht der sogenannte Zufall der Wirklichkeit. Sie hat Freiheit. Sie
beherrscht die Schönheit, die im Leben durch den Zufall beherrscht
ist. Die Ideale werden in der Kunst frei gestaltet; die Scliönlieits-