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Auffässl
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Schöne:
des
hinausgegangen werden soll, um zu einer noch umfassenderen schönen
Form zu gelangen versinnlichen wir uns dies durch goneentrische Kreise,
von denen der weitere die höhere Anschauung vom c iönen vorstellt
da muss oder wird stets die reine Form des bis dahin Olassischen
durchbrochen werden und Durchbrochenheit der Linien, Gestörtheit des
Zusammenhangs, Kierschiebung der Formen, Lückenhaftigkeit u. w.,
kurz ein in dieser Hinsicht als romantisch bezeichneter Zustand ein-
treten, bis der neue, weitere Schönheitsbegriff in allen seinen Formen
rein, vollkommen ausgefüllt erscheint, bis die zweite Kreislinie, um
unser Bild zu gebrauchen, ebenfalls rein und richtig hergestellt ist. Das
Romantische ist daher immer nur ein Uebergztng und in so weit zu be-
kämpfen, als man bestrebt sein muss, es zur Vollkommenheit des Glas-
sischen hinaufzufiihren. Es ist nie voll schön, hat aber im angegebenen
Sinne die höchste Bedeutung. Dass in Bezug auf wahres Erkennen
alles blosse Empfinden, Fühlen, Träumen u. dgl. romantisch ist und das
Wissen dagegen classisch, ist sogleich zu sehen. Leicht kann man
sich danach dies Romantische, vom Romantischen einer Ruine, der
Waldesdammerung, des Halbdunkels u. s. w. bis zum Romantisehen
eines Kunstwerks oder eines Charakters in jedem einzelnen Falle klar
machen.
In dem Begriff des Vollständigen, Classischen liegt die Noth-
wendigkeit der Objectivität. Nie darfleine Ergänzung durch die
subjective ästhetische Kraft des Betrachters nöthig werden, d. h. jene
romantische 'l'hatigkeit, die dem Voll-Schönen widerspricht. Ein elas-
sisches Werk ist stets objeetiv; das Natur-schöne ist es an sich, das
Kunstwerk muss zur objectiv schönen Erscheinung gebracht werden,
um nicht der subjectiven, stets zw'eifelhafteren, unsicheren ästhe-
tischen Zuthat des Betrachters zu bedürfen. [Das Subject kann sich
natürlich selbst zum Object machen und das Subjective zur classischen
Erscheinung bringen] Hieraus ist auch der Begriff des Naiven zu
ersehen, der dem Classischen zukommt. Naiv nennen wir das Natür-
liche der Erscheinung. Die Natur ist stets sich selbst Zweck, erscheint
absichtslos in Bezug auf ein Anderes. So verstehen wir unter naiv
jenes Mangeln aller Absichtlichkeit. Die naive Erscheinung erscheint
rein für sich, geschlossen. Ohne solche Naivetat ist keine Objectivität,
kein Classisches möglich, weil andernfalls etwas Ueberflüssiges hinzu-
kame, wodurch der reine ästhetische Eindruck gestört wird. Auf alle
Einzelbedeutungen, nach denen der weitschichtige Begriff dieses Natür-
lichen, Naiven gebraucht wird, können wir hier nicht eingehen und
müssen dem Einzelnen das Einzelne überlassen. Das Naive, was
der Natur gewöhnlich, ist das Höchste in der Kunst. Die Kunst-
leistung, dass ein Werk ganz ich selbst Zweck erscheint, gleichsam
gewachsen ist, gar nicht anders sein kann, nie anders gewesen ist, diese
Art der naiven Erscheinung ist sehr schwer zu bewirken. Es ist mög-