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und Erscheinung.
Harmonie zwischen Wesen
Löwe gewiss ein grösseres Interesse, als ein wegen seiner Gefahrlosig-
keit gleichgültigeres Thier, mag dieses nun auch dem Löwen an Schön-
heit gleichkommen. Ebenso verhält es sich mit dem Nutzen; dieser hat,
wie schon bemerkt, der Menge stets die Unterlage für das ästhetische
Interesse und Gefallen gegeben und immer war für die Aesthetik Ge-
fahr, durch die Rücksicht auf Zweckmässigkeit, Nützlichkeit und drgl.
einer unrichtigen Benrtheilung unterworfen zu werden.
Das Gesagte gilt für das Böse als das Geistig-Schädliche und für
das Gute, beides durchgängig so relative Begriffe wie die des Gewöhn-
lich-Schädlichen und Nützlichen. Man denke nur an die Wandelbarkeit
der Rechtsbegritie! was dieses Volk und diese Zeit für Verbrechen
hält, hält jenes Volk und jene Zeit für erlaubt oder möglicher Weise
für Tugend. Auch hier gilt, dass der moralische Eindruck der aus
der Erscheinung des Bösen unrechter Weise gezogen wird, den ästhe-
tischen leicht trübt oder erdrückt. Der Künstler, der etwas Böses
darstellt, wird nur zu oft selbst für den Bösen genommen und der
Schein des Bösen für das Wirklich-Böse, also Hassenswerthe. Umge-
kehrt bei der Darstellung des Guten.
Andrerseits interessirt das Böse leicht. Wo man davor gesichert
ist, also bei der Vorführung des Scheins in der Kunst, um nur diese
anzuführen, erweckt es meistens die besondere Aufmerksamkeit, welche
alles uns Schädliche zu erregen piiegt.
Für die Verwendung des Bösen braucht man nur an das Drama,
an einen Richard III. oder Tartülfe zu erinnern. Welche gewaltigen
Erscheinungen es nach Kraft, Entschlossenheit u. s. w. zeigen oder wie
es uns, inls Komische gezogen, ergötzen kann, ist hier nicht näher
auseinanderzusetzen. Es kann ästhetisch wirksam sein! Damit ist
natürlich nicht gesagt, dass es immer ästhetisch wirksam sei. Ein lang-
weiliger Bösewicht z. B. ist ein kläglicher ästhetischer Gegenstand, ein
niederer, gemeiner Bösewicht ist widrig; ein Bösewicht wie Edmund in
Lear, wie Macbeth, Karl Moor u. A. ist aber ästhetisch tausendmal
wichtiger als ein langweiliger Tugendheld, wie tausendmal höher dieser
moralisch erscheinen mag.
Damit aber das ästhetische Urtheil frei wirken kann, ist nöthig,
dass, im Falle das Böse in die Erscheinung tritt, dasselbe nun auch
ganz in die Erscheinung und aus den ethischen Grenzen heraustritt.
Will der Dichter, statt die objective Erscheinung zu geben, den Be-
trachter ethisch bestimmen, will er auf dessen Wollen wirken (Siehe
Frauenstadt: Aesthetisctie Fragen VIII.), statt ihn in der ungetrübten
Freiheit der ästhetischen Beurtheilung zu lassen, so stellt er sich selbst
unter das ethische Maass und verwirrt die ästhetische Beurtheilung
durch die moralische, ruft also jedenfalls eine Disharmonie hervor,
fehlt an sich schon gegen das Gesetz der Reinhaltung des Gebietes
vom Nicht-dazu-gehörigen.