Volltext: Populäre Aesthetik

Characteristische; 
Das 
das 
Schädliche. 
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Ueber Alles geht dem Menschen die Selbsterhaltung; sie giebt den 
mächtigsten Impuls, der nur ausnahmsweise durch die Macht der 
höchsten Ideen unterdrückt wird. Das Nützliche, Schädliche und das 
Böse, das geistig Schädliche, üben dadurch leicht einen das ästhetische 
Gefalleir oder Missfallen erdrückenden oder lähmenden Einfluss. Bei 
ltlanchem wirkt schon der blosse Gedanke, dass Etwas Schaden bringen 
könne, ästhetisch störend; er hört, eine Blume sei giftig und seine 
Freude daran ist in jeder Hinsicht gestört; er kann den Standpunkt 
freier ästhetischer Betrachtung, der nur auf die Erscheinung sieht und 
um Nutzen oder Schaden, um Gutes oder Schlechtes ganz tinbekümmert 
ist, gar nicht mehr gewinnen. Er ist ästhetisch unfrei. In diesem 
Falle bedarf er der ethischen Unterlage, um überhaupt seine Empfin- 
dungen hinsichtlich des Schönen walten zu lassen. Das Nützliche, 
Gute wird ihm leicht Grundbedingung. Solchem Standpunkte gegen- 
über sucht das Acsthetische gewöhnlich durch das Moralische beizu- 
kommen, wie die Geschichte des Schönen genügsam lehrt. Es strebt 
sich als moralisch hinzustellen und einzuführen (z. B. die Schaubühne 
eine moralische Anstalt; das Drama dient zur Besserung des Schlechten; 
die Poesie bringt das Wahre und das Gute in einem wohlgefälligen 
Gewande und wirkt also belehrend und erziehend; Musik ist nützlich 
zui-Besänftiguxig der Leidenschaften u. s. w. Dieser Nützlichkeitsgründe 
zur Vertheidigung oder Einführung des Schönen sind ja unzählige) 
wodurch denn die Verwirrung in der richtigen Atlffassung d. h. Unter- 
scheidung des Acsthetischen und Ethischen noch mehr gesteigert 
worden ist. 
Andrerseits hat aber Alles, was uns schädlich ist, für uns 
Bedeutung und seine Erscheinung erweckt dadurch besonderes Inte- 
resse; somit liegt darin eine Grundbedingung des ästhetischen Ge- 
fallens versteckt. Deswegen wird es vielfach ästhetisch benutzt; in 
sogenannten blasirten Zeiten muss es wohl als hauptsächlichstei- Hebel 
wirken, die abgcschlaHten Empfindungen in Bewegung zu setzen. 
Aber weder Schauder und Schrecken noch Rührung sind an sich 
ästhetisch. Für das Wohlgefallen und das Interesse des gewöhnlich 
Schädlichen mögen wir den Löwen zum Beispiel nehmen. Er ist durch 
seine Kraft, durch seine Eigenschaften als Ranbthier dem Menschen 
fürchterlich und schädlich. Sobald wir ihn fürchten müssen, tritt das 
ästhetische Wohlgefallen an ihm zurück und wird unter Umständen, 
wenn er etwa uns angreifen kann und will, ganz zurückgedrängt. Beim 
höchsten Grade der Furcht können alle Sinnesthätiglaeiten sogar gelähmt 
sein  Hören und Sehen vergehen. Des Löwen Schönheit würdigen 
kann nur der Unbefangene, sei es der kühne Jäger, der sein Herz von 
Furcht freihält oder der Mensch, der die Gefahr nicht kennt, die ihm 
vom Löwen droht, oder derjenige, der sich durch Gitter und drgl. 
sicher vor ihm weiss. Im letzten Fall erregt aber von vornherein der 
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