Das Drama.
555
bindung mit der Handlung stehen. Poetische Gerechtigkeit hat zu
walten.
Noch wenige Worte über den Schauspieler. Er muss durch Ver-
ständniss und äussere Mittel seinen Rollen gerecht werden können und
da das Drama lcbenumfassend ist und durch das Komische auch das
Hässliche hereinziehen kann, andererseits bis zum Schreckliehen gehen
darf, so muss er den ganzen Menschen, auch nach Hässlichem und
Niederem oder Schrecklichem zu umfassen wissen, in seiner Weise
so gut wie der Dichter. Doch so wenig wie dieser darf er vergessen,
dass sein Zielpunkt immer das Schöne ist. Den schönen Menschen im
weitesten Sinne des Worts, in Handlung, Geberde, Bewegung, Anstand
überhaupt, Sprache muss der Künstler-Schauspieler uns vorzuführen
wissen, um so mehr, als nur Er es eigentlich noch ist, bei dem diese
Schönheit im Getreibe des Tags und des Marktes nicht als manierirt
missverstanden einem gewissen Tadel ausgesetzt ist. Wenn er in einem
Kunstwerk darstellt, soll der Schauspieler nicht in dem Realismus der
Alltäglichkeit sein Genügen finden, sondern immer wissen, dass er die
Kunst repräsentirt. Shakespeares Regeln im Hamlet gelten für ihn.
Wo er die Kunst zur Unwahrheit schraubt und sie dadurch von aller
Lebenswahrheit losreisst, hat die Kunst an sich schon ein Ende. Wel-
che Talente vom Schauspieler verlangt werden, wie schlimm es mit der
Schule für ihn bestellt ist, dass er lernen könne und nicht erst alles an
sich zu versuchen und aus sich zu schöpfen habe, das ist bekannt. Er
muss den Dichter verstehen, die Fähigkeit besitzen, sich seines Iclfs zu
entäusscrn und ganz in die dargestellte Person zu versenken und nur
aus dieser herauszuwirken. Geberde, Sprache, der ganze Ausdruck
muss ihm bei jeder Empfindung willig dienen. Aber dann ist noch nicht
Alles gethan. Der gute Schauspieler muss das Talent haben, Alles zu
ergänzen, was der Dichter nicht im Drama erzählen kann. Er muss
also gleichsam das feinste epische Talent besitzen, um zu den Worten
in" den Handlungen die Ergänzungen geben zu können. Wie bei den
Meisten dies Ergänzungs-Talent nur für die gewöhnlichen Lebensweisen
ausreicht, ist nur zu häufig zu sehen. Das Grosse erfordert Versenken
in das Grosse, ein Hinabtailchen in die Tiefen, wie Eckhof sagte, bis
die Tiefe der Ideen ermessen ist. Wer das Gewaltige darstellt, der
muss arbeiten, sich geistig so mächtig ausdehnen, dass nicht die Rolle
um den armseligen Träger schlottert, sondern Mann und Rolle geistig
und körperlich Eins geworden sind. Nicht „wie er räuspert und wie er
spuckt sondern das Genie, ich meine, sein Geist," das hat der Schau-
spieler in seinen Rollen zu erweisen. Wir haben der guten Schauspieler
nicht viele, aber man darf sagen: daran sind die Dichter Schuld, welche
bisher der Zeit noch keinen rechten dramatischen Ausdruck zu geben
gewusst haben. Der gute Schauspieler kommt sicher, wenn ein guter
dramatischer Dichter da ist". . .