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Die Dichtkunst.
Wie die Spanier, Italiener, Franzosen ihr Drama entwickelt haben,
übergehen wir hier. .
Die Hauptformen sind für uns das griechische und das shake-
spearische Drama. (Für die geschichtliche Entwicklung des Dramas
möge man etwa nachsehen: J. K. Klein: Geschichte des Dramals;
Devrient: Geschichte der deutschen Schauspielkunst u.
Uns Deutschen nützten damals die dramatischen Errungenschaften
der Engländer wenig. Unsere Bühne ward beherrscht von traurigen
Haupt- und Staatsactionen und einem niederen Lustspiel V0ll Hans-
wurstiaden und Rohheiten. Es ward ein allgemeiner Drang nach Aen-
(lerung und Besserung dieser Zustande zu Anfang des vorigen Jahrhun-
derts bei uns rege. Wie auf Klopstock, so wartete die Zeit auf einen
dramatischen Dichter. Es waren Zustande, ähnlich, aber lange nicht so
grossartig, wie kurz vor Shakespeare in England. Aber unsere erbarm-
lichen Verhältnisse vermochten keinen dramatischen Genius zu erzeu-
gen, der am vollsten in seiner Zeit stehen muss, um ihr Ausdruck zu
werden und ihr den Spiegel der dramatischen Kunst vorzuhalten. Da
aber eine Aenderung geschehen musste, geschah sie der Art, dass die
Zopfweisheit und Pedanterie, dass die schale Nachahmung eintrat und
Gottsehed das Drama in der bekannten Weise reformirte. So brachten
wir es wieder nicht zu einem eigenthümlichen Kunstwerk. Wie Lessing
unsidann durch seinen Kampf gegen die falsche, französische Antiken-
Nachahmung und durch Shakespeare uns allmälig aus den Banden löste,
wie er, Göthe, Schiller u. A. unser Drama zur Achtung gebietenden Stel-
lung hoben, wie hehre dramatische Dichtungen wir durch Göthe und
Schiller bekommen haben, gehört nicht hierher. Es ist bekannt, wie
trotz alledem Kunst und Leben im Drama noch nicht die volle Einigung
bei uns gefunden haben; nach dieser (lramatischen Höhe geht noch
immer unser Streben. Der richtige Boden: freudiges, nationales Leben,
Glaube an die Volkskraft, Lebensfrische, grosse Ideen, die nicht in's
Blaue verschwärmen das fehlte. Wir erringen jetzt diese Güter
so ist wenigstens die feste Hoffnung. Wenn das Volk und seine Führer
sich jetzt bewähren, wenn Ordnung nicht Zwang wird, sondern Freiheit,
wenn Freiheit nicht Willkühr wird, wenn Muth, Selbstvertrauen weiteren
Aufschwung nehmen, dann werden dem Volke und seinen grossen Män-
nern auch die Dichter nicht fehlen! Gehen wir nur unseren eigenen
Weg; ahmen wir nur nicht nach! Lernen wir das Gute überall, aber
verwandeln wir es in unser Fleisch und Blut! Im nationalenLeben, wie
in der Dichtung!
Die Tragödie giebt eine ernste, die Komödie eine lustige Darstel-
lung aus dem Menschenleben. Für die nähere Bestimmung haben Wll"
auf das Tragische und das Komische zurückzuweisen. Eigentliche Tra-
gödie nennen wir danach nur das Drama, welches uns den Sturz des Er-
habenen zeigt. Trauriges Schauspiel, Trauerspiel im Allgemeinen, nach