Das Drama.
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besondere Hülfen (deus ex machina). Nach einer Seite bewegte Euri-
pides sich mit moderner Freiheit, ja Willkürlichkeit, nach der andern
blieb er gebunden. Erst der Neuzeit war es vorbehalten, die wahre
neue Form zu finden.
Die Komödie entwickelte sich gleichfalls aus den Bacchischen Fest-
lichkeiten und Schwanken. Verkleidung, derbe Spässe und Tänze
bildeten die Grundlage. Der Ton war drastisch, sinnlich und locker;
das Ganze ursprünglich mehr schwankhaft, der Natur nach zur Satire,
zur Verspottung einladend. Das Niedrig-Natürliche und das Verkehrte
wurde belacht, das Schlechte durch Witz und Hohn bestraft, verspottet
und verdammt. Aristophanes brachte die Komödie auf ihre Höhe. Auch
diese hIasken-Iiomödie hatte im Ganzen typische Charactere. Mit dem
Fall der Athenischen Macht verlor die Komödie an Bedeutung und
Werth und Kühnheit. Sie ging allmalig mehr und mehr in die Formen
unseres gewöhnlichen Lustspiels über, in heitere Nachahmung des ge-
wöhnlichen Lebens. Die Römer nahmen es von den Griechen herüber;
es passte ganz gut zu ihren alten Volksspielen und Schwanken. Ihre
Tragödien führten sie in der Wirklichkeit auf, wenn nach dem Triumph-
zuge der Henker bereit stand. sein Opfer, das einst vielleicht über
Länder geboten und jetzt den 'I'riumph verherrlicht hatte, in Empfang
zu nehmen. Die beliebten Gladiatorspiele, Thierkämpfe u. drgl. hinderten
ebenfalls die dramatische Kunst. Nur das Lustspiel mit derben Spässen
konnte daneben sich halten und bildete tyische Figuren aus, die sich
erhielten und in das italienische Lustspiel übergingen. Die Tragödie
ward unter diesen Umständen mehr Gelehrtensache und damit Lese-
drama. Bei dramatischen Aufführungen überwog in der Schauspieler-
thatigkeit die Mimik mehr und mehr. Statt weitergeführt zu werden,
verkümmerte bei den Römern die-Tragödie.
Ueber lange Zeiten müssen wir dann hinwegeilexi, ehe wir wieder
ein Drama finden. Wieder ist es die Religion, an welche es sich an-
lehnt. Aehnlich wie im Alterthum bei den Adonisfesten, ähnlich wie aus
den bacchischen Feierlichkeiten, gestalten sich in der christlichen Kirche
dramatische Darstellungen. Es werden besondere Scenen, etwa aus der
Passions- oder Auferstehungsgeschichte an die Feierlichkeit der darauf
bezüglichen Tage angeschlossen. Dem Volke ist das Schauen Noth.
Es muss Christus blutend zum Kreuze wanken, es muss ihn auferstehen
sehen; erst dann fühlt es recht, was die Worte des Predigers zu be-
sagen haben. Die Schaulust griff begierig nach diesen Spielen (Myste-
rien, nach Waekernagel: Misterien, abzuleiten von ministeria). Die
Kirche, die ganze Stadt nimmt Theil. In der Kirche, wo sie nicht aus-
reicht, in den Strassen, auf dem Markt wird gespielt; hunderte sind
dabei thätig; die ganze Stadt, die Landschaft schaut aus Fenstern, von
Dächern herab, oder von den Strassen aus zu. Aber dies Stück geht
nicht von einem Chorgesang aus, wie die griechische Tragödie. Eine