Das Drama.
547
sich freier bewegen und sind andererseits wieder durch ihre Eigen-
thümlichkeit gebunden. Das Melodrama verbindet Rede mit Musik,
indem es zuweilen jene von dieser getragen werden lässt, zuweilen beide
abwechselnd einführt und durch die Musik die unterbrochene Handlung
weiterführt. (Im Egmont der Schluss).
Ein kurzer Ueberblick über die geschichtliche Entwicklung des
Dramas wird in mannigfacher Weise das Verstandniss desselben er-
leichtern. Wir übergehen hier die dramatisirenden Dichtungen des
Orients (z. B. das hohe Lied derJuden; auch Hiob ist dahin zu rechnen),
und die dramatischen Aufzüge und Handlungen verschiedener Oulte
(z. B. des Adonisfestes), welche für das Drama von keiner Wichtigkeit
geworden sind. Die griechische Tragödie und Komödie nahmen ihren
Ursprung von den Bacchischen Festen. Aus dem Dithyrambus gestaltete
sich die Tragödie; aus den Lustbarkeiten des heiteren Tollens der
Winzer u. s. w. die Komödie. An die Weihegesänge zu Ehren der Gott-
heit wurde eine Handlung geknüpft und dargestellt. Zum Chor und
dessen Tanz kam das Wort und die mimische Darstellung des Reden-
den. Feierlicher, gottesdienstlicher Brauch, Gesang, der das Göttliche
verherrlichte, war der Ausgangspunkt. Erst allmälig kam das eigent-
liche Drama zur Gleichberechtigung. Die Wahl des Stoffes wurde
dadurch beeinflusst; der Dichter war auf Mythus und Sage, dem Mythus
des Gottes entsprechend hingewiesen. Das Ganze war ein religiöser
Act, der unter der Obhut des Staates bei der Aufführung stand, wie
andere religiöse Bräuche auch. Die Darstellung von Heroen, Göttern
u. drgl. musste darauf führen, ihre Gestalten besonders auszuzeichnen
durch Grösse und sonstige äussere Erscheinung; dass so wenige Schau-
spieler agirten, die sich in die Rollen theilen mussten, machte, ganz
abgesehen von dem künstlerischen Schein, der die naturahstische Nach-
ahmung verschmähte, mit welcher Gesang, Musik und Tanz doch nicht
stimmte, besondere Ausstattung wiinschenswerth. S0 ward, wie schon
oben bemerkt, Kothurn und Maske eingeführt. Zu all' diesem
Gesang, Fabel, heroischen Personen, Götterfeier, Masken u. s. w.
passte keine individuelle Behandlung der Charactere; diese, die Sprache,
der ganze Stil hielten sich auf einer über gewöhnliche Menschlichkeit
hinausgehenden Höhe, gingen damit aber auch auf das Typische, All-
gemeine. Diese typischen Gestalten waren nicht die Kinder der leichten,
beweglichen Gegenwart. Was sie sprachen, war nicht das Geschwätz
des Marktes; was sie empfanden, huschte nicht durch die Herzen und
zuckte nicht über die Angesichter in leichtem Wechsel und Spiele. Mehr
als gewöhnliche Menschen, bedurften sie nicht des schnellen Mienen-
Spiels; gross wie die Götterbilder und in den Masken starr wie sie,
erschienen die Gestalten der griechischen Bühne. (Die Grösge der
offenen Bühne kam ebenfalls in Betracht und veranlasste noch eigene
zur Verstärkung der Stimme dienende Schallapparate in den Masken.)