Das Drama.
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zu schildern, sondern das ihr eigenthümliche Schicksal. Und er kann
und darf dies nicht in allgemeinen Zügen, sondern wird das Ganze
individueller zu behandeln haben. Man sehe nur, wie die eigenartige
Figur der Antigene einen Sophokles zu einer an die moderne Weise
streifenden Behandlung drängt, wie die allgemeinen Personiiicirungen
einer edlen Jünglingsnatur und einer Jungfrau gleich zu einer seltsam
absteehenden Behandlung dieser Parthien im Wallenstein führen. Dass
der Dichter es zu vermeiden hat, das Allgemeine und das Besondere
neben einander zu stellen, dass dadurch keine Verschmelzung erzielt
wird, sondern eine Disharmonie kaum zu umgehen ist, soll hier nicht
näher auseinandergesetzt werden. Max und Thekla unter Personen wie
Wallenstein, Terzkys, Oetavio Pieeolomini, lllo, Isolani, Buttler,
Questenberg u. A. können dafür zum Beispiele dienen.
Weiter ist leicht zu sehen, dass der Dichter nicht so viele typische
Figuren neben einander stellen darf, als er uns individuelle vorführen
kann. Jene werden uns leichter leblos, nach erscheinen. Je mehr
Figuren, desto grössere Eigenartigkeit wird verlangt. Ein Drama mit
zwanzig, dreissig oder vierzig typischen Charaeteren wird auf uns einen
nnüberwindlieh öden, maskenhaften Eindruck machen. Ein Drama mit
drei oder vier Personen, einen gewaltigen, allgemein-menschlichen Stoff
behandelnd, wird keine Specialität der wenigen, darin handelnden Per-
sonen dulden. Sie werden Träger des Allgemeinen sein, für ganze Arten
stehen müssen. Gewicht der Einzelnen wird zu ersetzen haben, was an
Vielheit fehlt. Andern Falls würden wir nur den Eindruck einer Seene,
nicht einer vollen Handlung bekommen können.
Je besonderer der Inhalt des Dramas, desto mehr Ereignisse,
Träger der Handlung u. s. W. sind also nöthig, die Besonderheit in's
rechte Licht zu setzen. Wer den Wallenstein dramatisch behandeln
will, bedarf, um einen richtigen ästhetischen Zusammenhang zu geben,
einer Menge Ereignisse und Personen. Andernfalls würde der [Dichter
nur eine Scene aus dem Leben Wallensteins oder doch nicht die ge-
schichtliche Persönlichkeit geben können. Um zwei feindliche Brüder
zu zeigen, braucht der Dichter nicht viele Figuien oder Ereignisse in
Bewegung zu setzen. Die beiden Brüder und ein Object ihres Zwistes
genügen nöthenfalls für diesen allgemeinen Inhalt. Je mehr Figuren und
Handlungen nun aber der Dichter gebraucht, destomehr ist er wieder
gezwungen, sich mit seinem Stoffe auszubreiten. Zwanzig oder dreissig
handelnde, thätig eingreifende Personen lassen sich nicht auf einen
Punkt zusammendrängen; sie würden sich nur im Wege stehen. Der
Dichter muss sie so über mehrere Ereignisse vertheilen, dass sie zwar
alle zusammen handeln und ihre Handlungen sich in einem Höhepunkt
gipfeln, dass sie aber nirgends durch ihreVielheit verwirrend erscheinen.
Wo nur wenige Personen verwandt werden, wird im Gegentheil sich die
Handlung zusammenzuziehen haben. Statt der Vielheit in der Handlung