Volltext: Populäre Aesthetik

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Das Schöne. 
ihrer Schwere so gruppirt sein, dass sie sich das Gegengewicht halten, 
also auf der einen Seite etwa eine längere und weniger breite, auf der 
andern eine kürzere, aber breitere Zusammensetzung haben. Also 
haben wir hier hinsichtlich des Maasses der körperlichen oder geistigen 
Schwere Einheit in der Vielheit oder Mannigfaltigkeit, welche erfreut. 
Das Maass darin erfreut, Maasslosiglzeit giebt das Gefühl der Nicht- 
befriedigung, der Unruhe.  
Nehmen wir für das Gleichgewicht in der Bedeutung das fünfactige 
Drama. Es theilt sich zu drei und zwei Acten. Wiegen diese letzten 
zwei nicht durch ihre grosse Bedeutung jene drei ersten auf, so fällt 
das Stück ab, indem der Anfang dann durch die Masse ein Ueber- 
gewicht hat. Darum muss das Gewicht die Masse ersetzen, die Be- 
deutung der zwei Endaete die der drei Anfangsacte aufwiegen und in 
dieser Weise eine freie Harmonie erzeugen. Ungleiche Theilung, 
Gleichheit durch Gegengewicht  Freiheit und Maass. Ebenso bei 
einem aus Vorder- und Nachsatz zusammengesetzten Satz. Je kürzer 
der Nachsatz, desto gewichtiger, treffender muss er sein; ein Wort 
kann Perioden aufwiegen. Versteht man aber demselben nicht das 
nöthige Gegengewicht zu geben. so geht der Schlag in die Luft, so 
ist der Satz albern oder stumpf  gleich kräftig müssen die Arme 
des Bogens sein, der einen geraden, sichern Schuss schnellen soll. 
Dasselbe Gesetz herrscht in der altdeutscheu Priamel, im Epigramm, 
soll im Sonett etc. befolgt werden. 
Einfacher noch ist es an schönen Körpern zu erkennen. Bei den 
streng symmetrischen versteht sich das Gleichgewicht so gut wie von 
selbst. Sie sind meistens symmetrisch wegen des Gleichgewichts. Aber 
nehmen wir z. B. die unsymmetrischen Seitenansichten des Menschen. 
Hier finden wir das Gegengewicht aufs tretflichste ausgesprochen. 
Das scharfe bedeutende Gesicht leistet es gegen den ltlinterkopf und 
dessen Haarschmuck. Fehlt der Hinterkopf, so scheint das Gesicht 
das Haupt vornüberzuzielieii. Das Gesicht wirkt dabei namentlich 
durch das Knochige, Feste seiner Parthien; ebenso wiegen die festen 
Linien der Brust und der Schenkel  der weiche Bauch gegen die 
Rückensenkung  jene gegen die ebenso festen Schultern, diese in 
ihrer Prallheit und Festigkeit gegen die Anschwellungen des unteren 
Sitz-Theiles, die harten Schienbeine gegen die Waden. Bei jedem 
Ueberwiegen bekommen wir einen unangenehmen Eindruck. So beim 
Diekbaueh, namentlich wenn dieser, wie häufig, gesässlos ist; so bei 
der Hottentottin-Schönheit. 
Ein anderes Gegengewicht bekommen wir bei der Zeising'schen 
Theillmg- Hier steht der massiver-e, bedeutende Oberkörper im 
Gegengewicht zum Unterkörper, Gleichheit in der Ungleichheit 
zeigend. 
Noch einige Beispiele von Gegengewicht auch in der Thierwelt.
	        
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