Das Drama.
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gar nicht für den Hörer oder Zuschauer des Dramas vorhanden. Von
einer subjectiven Färbung kann also, oder soll absolut keine Rede sein;
die Handelnden müssen ganz objectiv sein und dies geschieht dadurch,
dass jeder seinem Character gemäss ganz subjectiv ist. Aus dieser
Forderung erwächst die Schwierigkeit des Dramas und die Unmöglich-
keit, ein Drama zu dichten, bis nicht die Epik und die Lyrik, die Ob-
jectivität und die Subjectiirität, beide gleich volli, gleich tief, durch und
durch künstlerisch erfasst sind. Nur nachdem Epos und Lyrik aus-
gebildet sind, ist das Drama möglich; zugleich aber ist es auch die
richtige Verschmelzung und Folge jener, die Einheit beider, mit denen
es zu dritt' die dichterische Einheit bildet. Es ist darum der Höhepunkt
der Dichtung genannt worden, ist ihr Beschluss.
Die wichtigen Folgerungen der dramatischen Unmittelbarkeit sind
zu ermessen. Im Epos konnte der Erzähler vermittelnd eintreten, und
unserer Ungewissheit vielfach durch seine Erläuterungen abhelfen, indem
er durch die Kenntniss des Verlaufes über der Geschichte steht. In
dieser Stellung vermag er denn, Winke, Warnungen vor falschen An-
gaben, Aufklärungen u. s. w. zu geben, kann dieses oder jenes nur im
Flug anführen und durch ein Wort doch die nothwendige Verbindung
geben, kann das Eine kurz, das Andre lang machen. Er kann uns vor
und rückwärts führen, hier vergreifen, dort aus vergangener Zeit nach-
holen. Im Drama dagegen giebt es, streng genommen, nicht Dichter,
nicht Hörer. Ein Erklarer zum Drama ist dem Wesen des Dramafs nach
ausgeschlossen ihn einzuführen ist ein Nothbehelf, den sich dramatische
Unfähigkeit oder die Absichtlichkeit eines Dichters aus ästhetisch-
falschen Gründen oder aus Rücksichtslosigkeit, Bequemlichkeit, oder
im Scherze wohl erlaubt, womit aber die absolute Ungehörigkeit nicht
aufgehoben ist aus dem Drama selbst, innerhalb seiner Vorgänge
muss sich Alles ergeben; streng nothwendig, sich selbst oifenbarend,
entwickelt sich in stetiger Aufeinanderfolge die Handlung, ganz voll in
sich beschlossen. Sie kennt keine Absicht auf einen Zuhörer oder Zu-
schauer. Sie keimt kein Eingreifen von Anssen, von irgend einer
Macht, welche ausserhalb der Handlung steht, indem dadurch die Ge-
schlossenheit und Ganzheit aufgehoben wäre. Weder der Dichter, noch
ein deus ex machina, weder der sogenannte Zufall noch eine eigenwillige
Gottheit, oder ein eigenwilliges Schicksal darf sich in das Drama mischen.
Wir werden sehen, wie nur geistig freie Richtungen nach dieser Seite
hin die Erzeugung einer dramatisch vollendeten Dichtung gestatten, wie
überall, wo der Mensch willkürlich ist oder die Gottheit willkürlich ge-
dacht ist, eine Einhaltung dieser Forderungen im besten Falle zufällig,
gewöhnlich aber unmöglich ist.
Jede Handlung besteht aus Thatigkeit, Thun und Leiden dies
Leiden im weitesten Sinne genommen, sei es, dass etwas Gutes oder
etwas Schlimmes, etwas Erfreuendes oder Betrübendes erlitten wird.
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