Volltext: Populäre Aesthetik

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Die Dichtkunst. 
alsdann vereint, wie es verlangt worden. Ich brauche dafür, um von 
andern Völkern auch hier abzusehen, nur an unseren mittelalterlichen 
Freidank, an Schillefs, Göthds und Rückerfs derartige Schöpfungen zu 
erinnern. Fehlt das ästhetische Element oder ist es schwach, so werden 
wir uns, wenn das ethische vortrefflich ist, nicht sehr darum beküm- 
mern. Wenn dieses in eine äussere poetische Form, z. B. in Verse, 
gebracht worden, so wird das ihm niemals einen Werth nehmen, eher 
wird die präcise, der Ueberliefernng so günstige Form des Verses seinen 
Werth doch erhöhen. Freilich poetischer Werth ist damit nicht ge- 
wonnen, dass ein Spruch der Weisheit etwa metrisch erklingt. Solche 
versificirte Gedanken als höchste Poesie hinstellen, ist durchaus ver- 
kehrt. Sie gehören einfach in andere Gebiete. ' Bei wirklich poetischer 
Weise ist hier aber vor Einem zu warnen. Das Alter, der ewige gute 
Nester, hält leicht alle seine Worte für Gold und mag keins opfern, 
weil unter Umständen doch ein jedes seine gute Stelle finden könnte. 
Es vergisst, dass die Jugend nicht so durchaus thöricht ist und da wird 
es bei seinen Ermahnungen und Weisheitssprüchen ihr wohl in Einem 
wieder gleich: beide meinen, nicht genug sagen zu können.  
Für die weiteren Unterscheidungen  z. B. des Naiven, des Sen- 
timentalen, des Komischen, Classischen, Romantischen u. s. w.  in 
der Lyrik fehlt hier der Raum. Auch in die Gegenwart zu greifen, 
ist hier nicht verstattet, um an ihren Sängern und Dichtern, wie z. B. an 
einem Emanuel Geibel, Bodenstedt, Lingg, Freiligrath, Grosse, Schäffel 
u. A. die lyrischen Richtungen und Bestrebungen unserer Zeit zu zeigen, 
oder die Wirkungen der früheren Dichtergenerationen auf unsere Tage 
nachzuweisen. ' 
Die deutsche Lyrik blüht noch; es hat damit keine Noth. Sie wird 
auch den Frost der. jetzigen Zeit gut überstehen, der hoffentlich nur 
dazu beigetragen hat, sie zu kräftigen. 
Das Drama. 
1m Epos erzählt uns der Dichter abgeschlossene geschehene Ereig- 
nisse, und zwar so objeetiv wie möglich. In der Lyrik herrscht die 
Innerlichkeit; der Dichter zeigt, was er auch aus der Aussenwelt herein- 
nimmt, nur in dem Spiegel der Subjectivitat, so dass Alles deren eigen- 
thümliche Färbung annimmt und in ganz bestimmter Weise durch sie 
beeinflusst ist. Im Drama wird Aussen- und Innenwelt auf einander in 
lebendige Wirkung gesetzt, jede mit gleichem Rechte und von gleichem 
Gewichte. Aber nicht im Nebeneinander beider wird dies erreicht, so 
dass unvermittelt jetzt die Aussenwelt, jetzt die Subjeetivität für sich
	        
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