Volltext: Populäre Aesthetik

Lyrik. 
Die 
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gepaarten 
Sonett: 
Reime folgen. Für die strenge Folge stehe 
Entledige dich von jenen Ketten allen, 
Die gutgemuthet du bisher getragen, 
Und wolle nicht, mit kindischem Verzagen 
Der schnöden Mittelmäßigkeit gefallen! 
hier 
Platens 
Und mag die Bosheit auch die Fäuste ballen, 
Noch athmen Seelen, welche keck es wagen, 
Lebendig wie die deinige zu schlagen, 
Drum lass die frischen Lieder nur erschallen. 
Geschwätzigen Krittlern gönne du die Kleinheit, 
Bald dies und das zu tadeln und zu loben, 
Und nie zu fassen eines Geistes Einheit. 
Ihr kurzer Groll wird allgemach vertoben, 
Du aber schüttelst ab des Tag's Gemeinheit, 
Wenn dich der heil'ge Rhythmus trägt nach oben. 
(Platen. Sonette 
Das Sonett bekommt durch den eigenthümlichen Bruch der Vier- 
verse und Dreiverse mit dem wechselnden Reim etwas Gegensätzliches 
im inneren Bau, dem auch der Inhalt zu entsprechen hat. Im Allge- 
meinen hat es epigrammatischen Charaoter freierer Art, wie wir ihn 
oben besprochen haben, scharf nach Vordersatz in den S ersten Versen 
und Nachsatz in den 6 letzten ausgeprägt. Für liedartige Lyrik eignet 
sich daher diese Form nicht, dagegen trefflich zur betrachtenden, der 
Didactik zugewandten Lyrik; sie verlangt strenge Gebundenheit der 
Gedanken, genaues Ineinandergreifen; der Gedankensprung und dergl. 
widerstreitet dem Sonett. 
Zur Formvergleiehung und deren Bedeutung für den Inhalt möge 
man das Sonett und die epischen Terzinen mit einander vergleichen, wie 
dort der Bau epigrammatischen Inhalt vernothwendigt, wie hier, wo die 
Verse, in durcheinandergeschlungenen Reimen wie zum Tau verflochten, 
ein stetes Weiterführen ausgedehnten Inhalts vernothwendigen. 
Eine höchst eigenthümliche Form  elegiseh im weiteren Sinne  
haben die Orientalen gebildet  das Gasel. Wie der Hexameter das 
Gedicht episch weiterführt, der Pentameter es gleichsam unterbricht, so 
wird im Gasel von der zweiten Strophe an  die erste aus zwei Versen 
bestehend reimt beide Verse  das Gedicht in der je ersten Zeile weiter 
geführt, durch die zweite Zeile aber wieder an die erste Strophe ge- 
bunden, indem der je zweite Vers stets mit der ersten Strophe reimt, 
während der je erste Vers reimlos willkürlich ist: 
Verbittre Dir das junge Leben nicht, 
Verschmiihe, was Dir Gott gegeben, nicht! 
Verschliess Dein Herz der Liebe Offenbarung 
Und Deinen Mund dem Trank der Reben nicht!
	        
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