Proportion.
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bucht zum Oberschenkel von der Kniebucht bis zum Nabel verhalt, wie
dieser zum ganzen Unterkörper. Die weiteren Theilungen sind leicht
zu machen.
Verwickelter wird nach diesem Gesetz die Breiten- und Tiefen-
messung des Menschen. Es muss dafür auf Zeising verwiesen werden.
Aber nicht darin findet Zeising die Wichtigkeit der Proportion des
goldnen Schnittes, dass sie die normalen Verhältnisse unseres Körpers
giebt, sondern er unternimmt es diese Proportion als allgemein gültig
in den uns wohlgefiilligsten Erscheinungen nachzuweisen. Er findet sie
angedeutet in den, gewöhnlich noch von der starrsten Gleichmassigkeit
durchwalteten Krystallen. Deutlich findet er das Gesetz schon in der
Pflanzenwelt, vielfach in der TlIlGYWBllI, namentlich in den höheren
Gattungen derselben; als genau weist er es in einigen der schönsten
Denkmäler in der Architektur nach. Nach einem Blick auf Malerei
und Sculptur untersucht Zeising auch die Musik, die Logik, Ethik und
darin das religiöse Gebiet; überall findet er sein Gesetz.
Wir folgen ihm hier nicht so weit. Weil wir aber bei Manchen
ein Lächeln vermuthen möchten, darüber, dass das Gesetz des goldenen
Schnittes auf Poesie, Logik etc. angewendet werde, so wollen wir dazu
einige Beispiele als Erläuterung geben. Das Drama pflegen wir in fünf
Acte zu zerlegen. Ende des dritten Actes ist die sogenannte Höhe oder
Umkehr. Wir haben hier das Verhältniss von 3 : 2. Ungenügend ist
die Theilung des Soiietts nach acht und sechs Versen, also iin Verhalt-
niss von 4 : 3. Ein Satz, in welchem Vordersatz und Nachsatz gleich
lang ist, erscheint einförmig. Durchschnittlich wird der Vordersatz
oder werden die Vordersätze länger sein und der Nachsatz oder die
Nachsätze kürzer. Zu kurz wirkt nur in besonderen Fällen. Zu lang
verschleppt.
Natülich wird sich in vielen Fallen das Zeising'sche Proportional-
gesetz des goldnen Schnitts nicht als zureichend erweisen, aber seine
allgemeine Vernunftniässigkeit steht fest: Wenn Theilung einer Einheit
eintritt, so ist die Theilung eine wohlgeordnete, bei welcher sich der
kleinere Theil zum grösseren verhält, wie der grössere zum Ganzen.
Vom Grundmaasse aus stehen alle einzelnen Theile unter sich und zum
Ganzen in wohlgefalliger Ordnung, wobei jede Einzelordnung noch dem
Principe der Gliederung entspricht.
Ein weiteres, für die Aesthetik schwerwiegendes Maass giebt das
Gewicht, das in geistiger Beziehung als Bedeutung erscheint.
Sind alle Theile gleich und von einem Bunkte oder einer Linie
aus gleich angesetzt, so iindet auch hinsichtlich ihrer Schwere Gleich-
heit statt. Ebenso wenn je 2 Punkte bei der symmetrischen Ent-
gegensetzung gleich sind, herrscht auch durch die Symmetrie Gleich-
gewicht. Sind die Theile zu den Seiten des lilittelpunkts oder der
Mittellinie ungleich zusammengesetzt, so können sie doch hinsichtlich