Lyrik.
Die
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Meeres ,
S0 kam auch sie, sag ich, einst zur Troerstadt,
Ein Bild holden Sinnes, gleich stillem Glanz des
Des Reichthums zaubervolles Kleinod
Trunkener Augen süsser Pfeil,
Herzverwundende Liebesbllmle!
Doch den Sinn wandelnd erschuf sie
Der Vermählung bittres Ende,
Und beüel Priamos Haus, scheuchte hinweg Frieden und Freude.
Gesandt vom gastlichen Zeus,
Fluch und Jammer den Bräuten
(Acschylus Agamemnon nach Donner).
Weit subjectiver bewegte Hymnen sowie Trauergesängc u. drgl.
als die hellenische bietet uns die orientalische Dichtung in den Psal-
men, Klageliedern u. s. w. An Macht der Phantasie, Energie des Ge-
fiihls unübertreiflich, ermangeln sie nur meistens wegen der schon be-
sprochenen Häufung der Bilder des plastischen Eindrucks. Wie die
griechische Dichtung auf die römische, diese auf die mittelalterlich
lateinische wirkte und aus deren Einwirkungen auf die nationalen Dich-
tungen sich unsere neuere Poesie entwickelte, gehört nicht hieher.
Davon ganz abgesehen bleibt die griechische Lyrik in mancher Hinsicht
ein Muster. Von der Willkür der Formen für fest bestimmte Dichtarten
hatte der Grieche keinen BegriH. Die Form war ihm immer Körper,
nicht ein Kleid zum Vertauschen, um es bald diesem bald jenem Stoffe
nmznhängen.
Das Christenthum nahm für die Gottesverehrung den Hymnos auf,
doch traten die epischen Momente darin weiter zurück. Je mehr der
enthusiastische Glaube dem prüfenden Verstand das Feld räumt, desto
mehr weicht natürlich der dithyrambische Schwung. Sentimentales An-
schmiegen so wenig wie rationalistische Werthschätzung können ihn
geben.
Elegie, Epigramm, Hymne, Dithyrambe, die Ode u. s. W. sind nicht
an das griechische Versmaass gebunden, sondern lassen sich auch, wie
kaum gesagt zu werden braucht, mehr oder minder gut durch den Reim
wiedergeben. Nur dass es dann noch schwieriger wird, die antike
Eigenthümlichkeit zu bewahren und statt einer Ode, einer Hymne irgend
eine beliebige moderne Dichtmischung zu geben. In der Antike ist auch
in der schwärmerischen Lyrik die Hingabe des Dichters an ein Object
ein Grundzug. Unser so oft gegenstandloses, musikalisches in's Blaue
Hineinsclnvärmcn kannte das Alterthum nicht. Dafür nahm es dic
Musik zur Dichtung, Wir aber, die wir in der Lyrik zu oft musicali-
lisches Verschwimmen der "Gefühle geben möchten, schädigen die
Poesie und geben der Musik auch nicht, was ihr zukommt; durch eine
solche Vermischung wird dann Beides geschwächt, und nur Halbes
kommt heraus.
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