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Die Dichtkunst.
Denn nimmer kommt der Ruhm dem zugeflogen,
Der unter Flaum auf weichem Pfiihl erschießt.
Und wer durch's Leben ruhmlos hingezogen,
Der lässt nur so viel Spur in dieser WVelt,
Wie in den Lüften Rauch, Schaum in den Wogen.
Drum auf! wenn Mattigkeit dich niederhält,
Wird sie der Geist, wird jeden Feind besiegen,
Wenn er nicht wie der schwere Leib verfällt.
Erklimmen musst du noch weit längre Stiegen;
Nicht g'niigt's, von hier gerettet fortznziehn;
Verstehe mich, so wirst du nie erliegen!"
Da Stand ich auf
(Dante: Hölle 24. Gesang nach K. Streckfuss.)
In der göttlichen Komödie fehlt zum rechten Epos die Handlung.
Dante muss zu viel beschreiben. Der Fluss, den die erzählende Dich-
tung habenxsoll, wird vermisst; nur zu häufig werden wir geschoben
und gehoben und gezogen, wie Dante vom Virgil, statt dass wir wie bei
Homer auf den Wellen der Erzählung dahin getragen werden.
Ariosto griff den, allen gebildeten Ständen seiner Zeit bekannten,
in Dichtungen und Erzählungen durcharbeiteten Stoff des Mittelalters
von Karl dem Grossen und seinen Paladinen auf und gestaltete daraus
sein reizendes Gedicht, denlrasenden Roland. Auch er versetzt sich
nicht in die Heldenzeit, sondern behandelt seinen Stoff subjectiv. Aber
er hebt diese Disharmonie durch den freiwilligen, im Komischen aus-
gesprochenen Verzicht. Ueppig und schalkhaft ist seine Weise; er
schuf das schöne humoristische Epos, mit allen Fehlern und allen Vor-
zügen des Humors und solcher Verschmelzung.
Tasso wählte grossen geschichtlichen Vorgang; aber wie Virgil
seine Gründung Latiums behandelt, so er sein befreites Jerusalem. E1-
ahmt Virgil nach. Bei Ariosto istein Zuviel des Guten, aber sein ro-
mantischer Stoff und die kecke Behandlung schickt sich zusammen; Ge-
schichte stört uns nirgends. Bei Tasso aber werden wir häufig aus-
einandergeworfen, durch die Art und Weise, wie die Geschichte und die
Phantasiegebilde durch einander spielen und die aus Virgil hergenom-
mene Göttermaschinerie trotz der Geschichte agiren muss. Tasso hat
geschichtliche Figuren und doch wenig Zeichnung, fast nur lyrisches
Colorit. Sentimentalität, schöne Seelenhaftigkeit kann aber beim Epos
nicht den Ausschlag geben, schadet im Gegentheil meistens. Das Vers-
_maass der Italiener für die lyrisch-epischen Gedichte ist die Stanze.
Verse mit dreifach sich hindurchschlingenden Reimen werden durch einen
zusammenstehenden Doppelreim (gepaarten Reim) zu einer Strophe ge-
schlossen. Jede Strophe hat dadurch vollen Abschluss. Das Schema
ist also a b, a b, a b, c c.
fort.
Armida lächelt, ohne sich zu wendetl,
Und spiegelt sich und setzt die Arbelß