Epos.
mehr naiv gegenüber. Es geht dann wie ähnlich bei Gelegenheit der
alten Göttergeschichten und selbst der Heldensage. Mit leiserer oder
kräftigerer Ironie tritt wohl der Dichter auch diesen gegenüber; Thier-
geschichten aber bieten sich ihm so recht dar, um dem Humor freieren
Lauf zu lassen, als bei jenen der altgewohnten Verehrung des Volks
erwünscht ist. Ihre Dichtung wird dann also gerne humoristisch,
Träger der Ironie, des Sarkasmus. Heiter humoristisch haben wir eine
solche im griechischen Froschmäusekrieg; eine schärfere, ironische und
sarkastische gestaltete unser deutsches Mittelalter im Reinecke Filchs,
der durch Göthes Bearbeitung voll in unsere jetzige Literatur wieder
eingreift.
Aus der religiösen Sage, dem Didactischen zuneigend, entwickelt
sich im Mittelalter das christliche epische Gedicht, die Legende.
Auf dem Höhepunkt der Epik ist auch das subjective Element
zum Durchbruch gekommen. Wenn die Epik in der Blüthe steht, beginnt
die freie Lyrik sich zu entfalten; wenn die Epik abblüht, die Lyrik in
Blüthe steht, beginnt bei regelrechtem Verlaufe die Durchdringung des
Objectiven und Subjectiven im Drama.
Die spätere Epik zeigt Neigung in's Lyrische, stellenweise auch in,s
Dramatische zu fallen. Das Dramatische zeigt sich in der strenger oder
streng dialogisirenden Behandlung, wo der Dichter nichts erzählt, son-
dern Alles oder fast Alles durch den Mund der vorgeführten sprechen-
den Personen erklärt (im griechischen Idyll sowohl, wie in schottischen
Balladen und anderen Volkslieder-n). Ebenso durchsetzt Lyrik mehr
und mehr das epische Gedicht. Die Erzählung in der Liedform,
das balladenartige Lied (z. B. der König von Thule), dann die Ballade
und Romanze gehören hierher. Darüber in der Lyrik. Epischer Stil
verlangt einfache Vers- und Strophenbehandlung. Zusammengesetztere
Bildungen, verschlungene Reimformen weisen mehr in's Lyrische.
Das künstliche Epos, gewöhnlich Kunstepos genannt im Gegensatz
zum Yolksepos, oft am kürzesten als Nachahmungsgedicht zu bezeich-
nen, leidet häufig an den Fehlern, welche entstehen, wenn nicht bloss
gelernt und das Gelernte zeitgeniäss angewandt, sondern direct nach-
geahmt wird. Wenn ein Dichter z. B. einen alten Stoff, Sage, Mythe
oder was es sei, wählt, diesen aber nicht künstlerisch so durchdringt,
dass Wesen und Erscheinung sich entsprechen, d. h. wenn es ihm nicht
gelingt, sich in die Anschauungsweise zu versetzen, welche dem Stoff
gemäss ist, so fehlt von vorn herein der gesunde Boden für das Ganza
Die Dichtung ist in sich unharmonisch. Virgil wählt eine Sage aus der
heroischen Zeit, aber sie ist kaiserlich-römisch behandelt. Seine Fi-
guren entsprechen den Namen eigentlich nirgends, so bedeutend sie
in ihrer Art sein mögen; bald sind sie allgemein, bald römisch modern.
Man sehe die bewunderte Scene von Nisus und Euryalns und vergleiche
sie etwa mit der nächtlichen Spähe des Odyssens und Diomedes bei