Reim.
Arten der
Dichtung.
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wir später in Beispielen sehen werden. Der Abschluss des lyrischen Ge-
dankens und Verses in der Strophe geschieht vielfach nach einer festen
Dreigliederung. Jede Strophe hat zwei zusannnengehörige gereimte
Glieder, die sogenannten Stollen oder den Aufgesang. Das dritte Glied
steht für sich und heisst Abgcsang. Die ganze Strophe heisst "liet".
Neben Gedichten, die bald aus einer solchen Strophe bestehen, bald
aus mehreren gleichen zusammengesetzt sind, kommen nun auch andere
der verschiedensten Art vor.
In den modernen Formen herrscht bald das Princip der Langen
und Iiürzen, bald das der Hebungen. Der Reim wird in den meisten
Fällen gebraucht; seine musikalische Bedeutung tritt namentlich bei
allem Sangbaren hervor.- Er wird sowohl bei den Hebungs- wie bei den
metrischen Versen einfacherer Art angewandt. Man hat in jüngsterZeit
wohl den Vorschlag gemacht, den Klang des Reims mit den künst-
lichcren Rhythmen zu verbinden und so Rhythmus und Klang zu ver-
einen. In vielen Fällen steht dem nichts im Wege, da wir in den
Versen, in denen nur die Hebungen gerechnet, die dabei aber gereimt
werden, etwas Aehnliches haben. Aber da, wo ein Vers, so wie wir es
in der griechischen Metrik gezeigt haben, kunstvoll in den Rhythmen
zusammen gebaut worden, wo er etwa in strenger Symmetrie oder im
schönsten Gegengewicht in sich gegliedert ist, da würde natürlich Reim
und Rhythmus gegen einander laufen. Der den Schluss des Verses ver-
stärkende Reim würde das ganze kunstvolle Gleich- oder Gegengewicht
zerstören. Sclierzhaft könnte man wohl behaupten, dass dann Anfang
und Ende der Verse gereimt sein müssten, um dies Gleich- oder Gegen-
gewicht des inneren Baues zu erhalten. Innerhalb solcher Verse mögen
immerhin Gleichklänge vorkommen, wie ja deren viele, ebenso wie Alli-'
terationen in den Versen der Alten zu finden sind. Der Reim am Schluss
aber als nothwendige Ordnung würde das rhythmische Princip über-
tätiben und zerstören.
Wir haben schon jetzt einige Arten der Dichtung unterscheiden
müssen, obwohl es sich nur um die allgemeine Betrachtung der Formen
handelte. Es gilt diese Arten näher zu bestimmen.
Innerlichkeit und Aussenwelt werden vom Geiste gedankenmässig
erfasst; sie finden ihren Ausdruck in der Sprache. Innerlichkeit und
das Ausser-ihr-Seiende beeinflussen einander. Im Allgemeinen wird
man auch da, wo man nur Kunde von dem Einen bekommt, auf das
Andere schliessen können. Man kann nun die Empfindungen der Innen-
welt oder die objective Erfassung der Aussenwelt zum Vorwnrfe für die
geistige Thatigkeit wählen. Gefühle oder Anschauungen werden also
den Hauptinhalt bilden. Soll aber das Snbjective und die Aussenwelt
innig verschmolzen werden, so dass weder die Gefühle noch die Aussen-
dinge, welcher Art sie nun auch seien, vorwiegen, so muss man zeigen,
wie jene in diese hineinwi1'k6l1, Sie bilden, sie umwandeln, ja gestalten