Volltext: Populäre Aesthetik

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Dichtkunst. 
Die 
Daja: 
Nathan: 
Er ist es! Nathan!  Gott sei. ewig Dank, 
Dass Ihr doch endlich einmal wieder kommt! 
Ju, Daja, Gott sei Dank! Doch warum endlich? 
Hab ich denn eher wiederkommen wollen?  
Und wiederkommen können? Babylon 
Ist von Jerusalem, wie ich den Weg 
Seit ab, bald rechts, bald links, zu nehmen bin 
Genöt-higt worden, gut zweihundert Meilen. 
(Lessing: Nathan der Weise.) 
Wie dieses Versmaass sich der Rede anschmiegt, der gewöhnlichen 
Gesprächsweise wie der getragenen, weiss Jeder. Der fünffüssige Jam- 
bus ist im Ganzen weniger getragenen Tons als der Trimeter. Er ist 
freier durch die Willkür seiner Endung, die eine Nachsilbe erlaubt. 
Dass Längen statt der Kürzen, namentlich in dem ersten Jambus, ge- 
braucht werden können, dass nicht alle Worte mit den J amben zusam- 
menfallen dürfen, sondern die Worte durch Stellung, Einsilbigkeit oder 
Mehrsilbigkeit sich mit dem Vers frei durchsehlingen müssen, dass der 
Gedanke nicht mit jedem Verse schliessen darß sondern in den nächsten 
Vers übergreifend ihn verbinden muss mit dem vorhergehenden, dass 
bei verschiedenen Sprechern die einheitliche, schnell ineinander-greifende 
Rede durch die einfache Jambenreihe geht, ist als bekannt voraus zu 
setzen. Für die letzte Art stelle hier als Beispiel aus Schillers Maria 
Stuart: 
gebieteriscixem 
Leicester (reisst die Thüre mit Gewalt auf und tritt mit 
Wesen herein). 
Den Unverschämteu will ich sehn, der mir 
Das Zimmer meiner Königin verbietet. 
Elisabeth: Ha. der Verwegcne! 
Leiccstcr: Mich abziuveisen! 
Wenn sie für einen Burleigh sichtbar ist, 
S0 ist sie's auch für mich! 
Burleigh: Ihr seid sehr kühn, hiylorni. 
In solchen Fällen bindet der Vers, wie ihn sonst der Gedanke 
bindet. Gereimt darf der Gesprächsvers nicht werden; er wird dadurch 
lyrisch. Ein Reim etwa am Ende einer Scene bindet diese zusammen 
und zeigt den Abschluss an.  Er darf aber nur dann gebraucht werden, 
wenn eine gehobenere Sprache zu seinem Elemente hinüber leitet. Wir 
haben früher schon gesehen, wie eine mächtig gesteigerte Sprache im 
Drama zur rhythmischeren Bewegtheit und zum Gesang führen kann. 
Dies hat an sich natürlich nichts mit dem eigentlichen Gesprächsverse 
zu thun. 
Was unsere alten lyrischen Versmaasse anbelangt, so ist in ihnen 
die dreifache und vierfache Hebung mit Reim die gebräuchlichste. Im 
Anfänge werden auch hier zwei Verse nebeneinander durch den Reim 
Velbundell; bald aber tritt hier die grösste Mannigfaltigkeit ein, wie
	        
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