Alliteratiou.
467
So in vielen anderen Gedichten in der auffallendsten Weise, beson-
ders in den Volkstonartigen.
Bei den Wiederholungen (Epizeuxis oder Wiederholung desselben
Wortes, Anaphora oder Wiederholung derselben Worte u. s.
welche dichterischen Nachdruck geben, wirkt schon dieser Anlaut ver-
stärkend ein.
In ihrer strengen Form hat die Alliteration etwas N achdrückliches,
aber auch Stosseudes, etwas Mannhaftes, IeIartes. Das Metrum ist
gleichsam plastische Form, in welche die Dichtung voll ergossen wird,
ganz füllend, ganz ausgefüllt. Der Stabrcim staucht wohl die Haupt-
theile der Rede zusammen, giebt einer ungezwungenen Entwickelung
nicht gut Raum, wie er jeden Augenblick an die Wucht von Haupt-
worten gebunden ist; er muss immer auf dies Wuchtige abzielen, ohne
welches die Ordnung und der Vers nicht mehr erkennbar wäre. Für
freien iiiessenden Vortrag, dessen Schönheit nicht in immerwährender
Kraftsprache besteht, eignet sich die Alliteration wenig; sie macht stets
die Rede starrer. (Man vergleiche Alliterationsdichtung mit Dichtung
in lateinischen Versen ziemlich gleicher Zeit und deutscher Dichter, oder
die ältere alliterirende und die jüngere prosaische Edcla, um dem Unter-
schiede nachzuspüren, den auch die Form allein schon machen kann.)
Wie beim Reim derselbe schlechten Dichtern oft Zwang anthut und des
Reims wegen nicht selten ein Vers gebildet wird (alle die Reime: Liebe,
Triebe, Herz, Schmerz, Sonne, Wonne u. s. so verführte auch der
Stabreim zu solchen Behelfen der Versbildung. Stereotype Redensarten
kamen dadurch auf, trockenem Holz vergleichbar in lebendiger Dichtung.
Die altnordische Dichtung erstarrte darin und ward bald zur Prosa;
auch die deutsche wäre es, hätte nicht ein anderes Princip die Allitera-
tion abgelöst. Der freiere Gang, mehr musikalischer Ausdruck des Ge-
müthslebens, grössere Biegsamkeit des Ausdrucks war Bedürfniss ge-
worden; so konnte die neue, im Reim gipfelnde Form sich durchdrückeii
und die Alliteration (andere Gründe kamen hinzu; sie galt mehr für die
heidnische Form, deren Ueberlieferung sie gab) verdrängen. Die Alli-
teration mag übrigens ihr Theil mit dazu beigetragen haben, dass durch
das Gewicht, welches ganz und gar auf die Hauptsilben fiel, die Neben-
silben, also die Flexionen besonders, welche die Griechen schon ihres
Metrums wegen zu erhalten bestrebt sein mussten, abgeschwächt, ver-
nachlässigt und weggeworfen wurden.
Heutigen Tages wird die Alliteration wieder mit grosser Liebe ge-
pflegt. Durch die Alterthumsbegeisteruixg ward sie geschätzt und man
hat über das dazwischenliegende Jahrtausend wieder auf sie zurück-
gegriffen. Jetzt wird sie von einigen Dichtern sogar wieder für den
epischen Vers zurückgefordert. In Uebersetzungen der alten Dichter
(siehe z. B. das Citat aus Beowulf S. 69 und 70) und in kleineren selb-
ständigen Versuchen uns geläufiger gemacht, suchen jetzt Dichter sie
30x: