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Dichtkunst.
Die
muss, wie verschieden die Bewegungen sind. Abwärtssinkend der
Trochäus, leicht auf seine Kürze fallend. Er rollt gleichsam ab wie von
einer Schnur: „Schnurre, schnurre meine Spindel, schnurre ohne Rast
und Ruh". Gleichmassig dahiniliessendern Rededuss wird er sich gut
eignen, wie wir ihn denn vielfach episch, d. h. für die Erzählung ge-
braucht iinden. Der Jambus v; steigt an; er tritt keine Stufen hinab,
sondern hinan; er hat dabei etwas Angreifendes. Er wird darum gern
zu der persönlichen Gesprachsrede gegen Andere gebraucht. Schwer,
gradaus wälzt der Spondeus dahin, massig, nachdrücklich; seine Lang-
samkeit grosse Last, unter Umständen also Gewichtigkeit oder Ge-
drücktheit verkündend. Hurtig herab, weit bewegter als der Trochaus
eilt der Dactylus. Das ist der Vers für schnelle, mehr lang strömende
als kurz iiiessende Bewegung. Mit Anlauf aufwärts drängt der Ana-
päst u. s. w.
Eine grosse Verschiedenheit lässt sich in dieser Weise dem Tone
des Ganzen geben. Durch die Verbindung solcher Füsse wird ein un-
erschöpflicher Reichthnm zu entfalten sein.
Die Erzählung, das Wiedergeben von Aussen empfangener Ein-
drücke ist eine der frühesten sprachlichen Thatigkeiten. Soll lebendig
erzählt werden, so wird leicht der langwellige, schnelle Dactylus ;V U
sich bieten. Bildet man aus ihm eine Reihe, so wird de1'en Länge oder
Kürze in Betracht zu ziehen sein. Die Zweiheit ist leicht einförmig;
die Dreiheit, Fünfheit sind, wie "wir früher gesehen haben, vorzuziehen.
Dabei begegnen wir nun wieder einem Gesetz des Geistes, das hier in
Satz und Gegensatz erscheint. Dieses geistige Gesetz der Satzbildung,
welches z. B. in der Poesie der Hebräer das maassgebende ist, indem
darin durch die Gegensätzlichkeit des Gedankens die Dichtung geformt
wird (Parallelismus membrorum), findet seinen sprachlichen Ausdruck
im metrischen Gleich- oder Gegengewicht. So nehmen wir den drei-
fachen Dactylus, diesem entgegengesetzt dieselbe dreifache Reihe, so
dass wir jetzt den Sechsfuss, den Hexameter, erhalten. Eine fünffache
Ordnung WÜYdC in dieser Weise den zehnfiissigen Vers ergeben haben.
Er dünkte den Griechen zu lang; sie blieben also bei der einfacheren
Dreiordnung, Wo keine solche Gegenordnung beliebt ist, wie z. B. bei
uns, finden wir die Fünfordnung (im fünffüssigen Jambns des Dramas)
gerne angewandt. Wir hätten also die dactylische Reihe
vu
xzk)
xJxJ
Mlk)
vv
xJxJ
Es würde nun aber diese Reihe unterschiedlos von der nächsten fort-
sehnurren. Sie muss von dieser geschieden sein; erst durch Trennung,
Hervorhebung wird eine Gliederung geschaffen. Dies kann Verschiedent-
lich geschehen, z. B. dadurch, dass der letzte Fuss verändert wird, ver-
kürzt, verlängert. Anderswo finden wir das Princip der Verlängerung;
der Grieche wollte diese schärfere Sonderung nicht und verkürzte den