Formung.
457
sehr verschiedene Ordnungen zur Geltung kommen. Wo mehrere Ord-
nungen neben einander angewendet werden, wie in der deutschen, da
wird es nicht Wunder nehmen, wenn über die Berechtigung der einen
oder andern erbitterter Streit herrscht. Wir wollen die gewöhnlichsten
hier in Kürze betrachten.
Die Sprache wird gebildet aus Tönen, die nach einander, und zwar
in Silben an einander geschlossen, in der Zeit erschallen. Gleich-
mässiges Ersehallen dieser Töne wäre langweilig, ermüdend. Durch
Betonung von Silben, Heben und Senken der Stimme, Pausen, durch
Dehnung und Kürzung der Töne, resp. der Silben kommt Wechsel,
Mannigfaltigkeit hinein. So wird man die gewichtigsten Worte und
darin die gewiehtigsten Silben betonen; zusammengesetzte Vocale wer-
den an sich schon Dehnungen verursachen, ebenso auch eine An-
häufung von Consonanten, die zu bewältigen die Stimme gleichsam
Zeit haben muss.
Wir finden nun bei einigen Völkern das Princip der Betonung, der
Hebung der Hauptsilben zum bestimmenden gemacht; so bei den Deut-
schen. Die Griechen haben das Maass der Längen und Kürzen erwählt.
Ihre klingenden, vocalschweren Endungen, z. B. der Declination, haben
sie vielleicht dazu bewogen; die Stammsilben wären durch jene doch
zu sehr gedrückt worden, wenn man mit ihrer Betonung durch Hebung
allein hatte operiren wollen. Sie maassen daher die Worte und erhiel-
ten sich dadurch vielleicht die volltönenden Endungen, während die
Deutschen, hauptsächlich auf die Stammsilben aehtend, die Endungen
vernachlässigten, ihre Töne abschwächten, verschluckten oder wegwar-
fen. Länge und Kürze der Silben machten die Griechen maassgebend.
Es ist hier nicht der Ort, ihre so schwierige Metrik näher zu behan-
deln. Sagen wir einfach, dass dieses Maass einer Länge durchschnitt-
lich angenommen wird als gleiehwiegend mit zwei Kürzen. Erst in
der Zweiheit kann sich eine Bildung gestalten. Einfachste Ordnungen
wären v v oder Nach dem früher Gesagten muss aber zum we-
nigsten die Betonung Leben in dieses Maass bringen; also Q, v,
Leicht sieht man den Wechsel in -v und v-. Ein solches Maass
nennt man Fuss. Er bezeichnet das Verhältniss der Silben in Rück-
sicht des IMaassesl Eine Aufeinanderfolge von Zeitabtheilungen nach
einem bestimmten Gesetz giebt, wie wir schon in der Musik sahen,
den Rhythmus. Eine oder mehrere Reihen von bestimmtem Rhythmus
nennen wir einen Vers. Ein Vers ist also eine in sich geordnete Reihe;
nach ihm beginnt eine neue. In solche Ordnungen wird die Sprache
gefügt.
Nennen wir einige der hauptsächlichsten Versfüsse: Trochaus LV,
Jambus v; Spondells L_, Dßßllyllls Lvv, Anapäst VVL; Amphi-
brach VLV, Bacchius ULM Päon m, e, V u. s. w. Man wird leicht
gewahren, welchen Eindruck die stete Wiederkehr dieser Füsse maghgy]