Klangbedeutung.
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Born und der einzige Beleber der dürr gewordenen geistigen Fluren.
Für eine Schrift- und Gebildeten-Sprache ist es vor allen Dingen nöthig,
dieselbe stets durch den lebendigen Zufluss aus der Volkssprache und
den Dialecten lebendig zu erhalten. Dieses schon in Rücksicht auf die
Sinnlichkeit der Sprache, von dem sonstigen geistigen Regen, welches
damit eng zusammenhängt, ganz abgesehen.
Fremdwörter klingen wohl, haben aber niemals sinnliches Leben in
sich, soweit nicht etwa ein solches durch den Klang erweckt wird. „Er
hat sich an ihn angeschlossen" giebt z. B. unwillkürlich eine kräftige
Anschauung; „er hat sich an ihn attachirt," wie man sagen hören kann,
drückt nur den matten Begriff aus. Darum sind Fremdwörter in der
Dichtung, wo Alles auf die lebhafte Vorstellung ankommt, so viel wie
möglich zu vermeiden.
Dieses über die Sinnlichkeit, Richtigkeit und Eindringlichkeit der
Vorstellungen im Allgemeinen.
Die Sprache ist der Ausdruck des vom Geiste Bcgridenen ; sie giebt
Begriffe. Die Anschauungen und Empfindungen haben darin in fest-
stehenden Ausdrücken ihre Bezeichnungen gefunden. Wie dies ge-
schehen, gehört zu den tiefsten und interessantesten Untersuchungen der
Wissenschaft. Durch das Sprachorgan des Menschen ist die nöthige
Tonverschiedenheit möglich gemacht. Als die ältesten Vokale finden
wir z. B. im Deutschen a, i, n. Man möchte sie etwa mit roth, gelb,
blau als den sogenannten Hauptfarben vergleichen. Hier tritt der Ton
an sich in sein Recht. a ist voll, klar; i heller, dünner, schärfer; u
dumpfer, belegter. o und e kommen hinzu; 0 voll, dumpfer als a; e
heller, in's Mattere. Zur Characteristik ihrer Verschiedenheit könnte man
etwa, das Niederdeutsche bei-anziehend, an das Wort Stecken erinnern.
Sticken (Niederdeutsch) ist ein kleiner, dünner, scharfer Pflock; Stecken
ein dünnes Hölzchen, Staken (Niederdeutsch) eine Stange, Stock und
Stuck sind nicht blos kleinere, wie jetzt gewöhnlich der Begriff Stock
bezeichnet, sondern auch (Holz auf dem Stock) massigere Hölzer und
Körper. Wären diese Vocale nicht vorzüglich, um auch sonst wohl das
Kleinere und Grössere zu bezeichnen, statt Diminutiv- und Ver-
gfösserungssilbeil? Alle derartigen Sprachvorschläge sind freilich des-
halb so leicht komisch, weil die Sprache ein organisches Gewächs ist,
das mit Meinungen und Träumereien nichts zu thun hat. Nur die com-
Detentegten Sprachforscher dürfen sich erlauben, aus Analogien u. drgl.
in die Sprache hinein zu arbeiten. Sonst darf nur die lebendige Sprache
des Volks, Dialects u. drgl. benutzt werden, um damit einzugreifen. Um
zu den Vocalen zurückzukehren, so klingt ein Redetheil, wo a den vor-
Wiegenden Klang giebt, anders als der, wo es ein ae, ai, au, i", e, 91h
Ü, o, ö, oi, u oder ue ist. Die Dichter benutzen nun absichtlich und
unabsichtlich die daraus entstehende Farbe des Grundtons in den Ge-
dichten. Das n macht die Sprache dumpf, düster, geheimnissvoll. Das