Volltext: Populäre Aesthetik

Personiücation; Allegorie 
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deckt und das Ganze nicht undeutlicher, statt deutlicher wird. Das: 
"Herr, mein Fels, meine Burg, mein Erretter, mein Gott" des Psalmisten 
bleibt sich steigernd in einem Bild. Wenn man aber einen Helden in 
einem Athemzuge einen Wall, einen Blitz, einen Löwen, einen Wald- 
brand nennen wollte, so würde dem Hörer das Bild nur zerrissen und 
verworren gemacht. 
Die oft so characteristische Uebertreibung (Hyperbel), der Aus- 
druck der Laune oder des Zorns, ist schon wegen der Uebertreibung 
sehr vorsichtig zu behandeln, damit sie nicht gegen die Absicht komisch 
wirkt. 
Natürlich kommt es in allen diesen Fallen auf die Phantasie- 
Anlage des Volkes, auf sein geistiges Fassungsvermögen u. s. w. an. 
Nur die allgemeine Bedeutung und die gewöhnlichen Abwcge, auf welche 
diese treffliehen Hülfen den Dichter leicht leiten, können hierErwalmung 
finden. In der Personification wird das Unsinnliehe sinnlich gemacht, 
das Todte wird belebt, das Unpersönliche zu einer Persönlichkeit ge- 
stempelt. Wie der jugendliche Volksgeist in seiner poetischen Kraft, 
in seinem Drang nach sinnlicher Vorstellung die Personification an- 
wendet, wie dieselbe von anderen Künsten ausgeübt wird, haben wir 
schon früher wiederholt Gelegenheit gehabt zu sehen. So lange eine 
solche Personification belebt ist, sei es durch die Kraft des Glaubens 
im Volke, welcher den Dichter trägt, oder durch die Kraft des Dichters 
allein, ist sie vortrefflich. Was ist der Begriff der Weisheit gegen Pallas 
Athene, die Tochter des Zeus, wie viel höher als das Gewitter steht 
Thor mit dem schmettcrnden Blitzhammer! Was ist Alles in Pan per- 
soniiicirt! Wie sind überhaupt Götter und Göttinnen und Helden so 
herrlich aus dem poetischen Volksgeist erwachsen! Aber sobald das 
Leben aus den Personiiicationen entweicht, sobald starren uns Larven 
und Strohmänner entgegen; eine Juno, deren Hoheit im Homer uns 
entzückt, wie langweilt uns schon ihr Name bei einem Rokokodichter. 
Ein Ares, ein Apollo, eine Diana, der schmiedende Hephaistos, die 
schmaehtende, zärtliche Kyprisl Welche Bilder bei einem alten Griechen! 
Welche triste Puppen schon bei den späteren begriifsliebenden Römern. 
Und nun erst, wenn Zopfdichter mit diesen Masken spielen! Wenn ein 
Mensch von Dryaden spricht, der nicht vergessen kann, was die Klafter 
Holz kostet, giebt es einen komischeren Jammer? Dasselbe mit der 
Allegorie, in welcher die Versinnlichung eines Gedankens durch eine 
Reihe von Veranschaulichungen der einzelnen Begriffe durchgeführt ist. 
Als eigentliche Allegorie, d. h. als Umschreibung und Notlibehelf steht 
sie immer tief, wenn sie nicht in ihrer eigenen Schönheit selbst beruht. 
Wann sie aber eine solche Allegorie, wann sie ein lebendig-es höheres 
Kunstgebilde ist, das kommt auf den Geist an, der sie schafft, auf den 
Geist, welcher sie erfasst. Wo man sich erst fragen muss, was sie be- 
deuten soll, wo sie ein frostiges Verstandeswerk ist, das mit dem Ver- 
21V"
	        
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